„Die Innenstadt wird wie ein Campus genutzt werden“
Stadtleben // Artikel vom 01.06.2021
INKA-Interview mit Stadtforscher Thomas Krüger.
Trend zu Homeoffice und mobilem Arbeiten: Der Stadtforscher Thomas Krüger spricht im INKA-Interview über die Folgen für die Innenstadt und warum die Mieten für alle weiter steigen. Krüger leitet den Arbeitsbereich „Projektentwicklung und Projektmanagement in der Stadtplanung“ an der Hamburger HafenCity Universität. Seit vielen Jahren forscht er zur Entwicklung urbaner Zentren.
INKA: Beschleunigt durch Corona breiten sich Homeoffice und mobiles Arbeiten rasant aus. Handelt es sich dabei um ein kurzfristiges Phänomen oder wird die Arbeit der Zukunft vor allem außerhalb klassischer Büros stattfinden?
Thomas Krüger: Homeoffice und mobiles Arbeiten werden zukünftig einen signifikanten Anteil an der Büroarbeit einnehmen. Entscheidend dafür ist, dass wir nur noch wenig klassisch am Schreibtisch sitzen und still arbeiten, sondern der Wechsel von Stillarbeit und Kommunikation, Teamarbeit, Kontemplation, körperliche Bewegung, d.h. nicht zuletzt andere Körperhaltungen als das Sitzen und vor allem der Wechsel der Umgebung die Produktivität, Kreativität - und das Wohlbefinden bei der Büroarbeit in vielen Fällen befördern.
INKA: Welchen Anteil werden Heim- und mobiles Arbeiten in der Arbeitswelt der Zukunft haben?
Krüger: Dies ist nach Branchen, Tätigkeiten und Organisationskulturen unterschiedlich. Schätzungen gehen von 20 Prozent bzw. ein Tag die Woche bis zu 50 Prozent, also zwei bis drei Tage pro Woche aus, wie es z.B. die Firma Xing in ihrem neu bezogenen Gebäude derzeit plant.
INKA: Wie erklären Sie sich, dass trotz dieses Trends in vielen Großstädten neue Bürobauten errichtet wurden und werden?
Krüger: Derzeit wird gebaut, was vor Corona entwickelt wurde. Was jetzt entwickelt wird, kommt frühestens in drei, wahrscheinlich erst in fünf Jahren auf den Markt. Es ist davon auszugehen, dass nach Erholung aus der wirtschaftlichen Krise und Verunsicherung, die sicherlich zwei oder drei Jahre andauern und mit erhöhten Leerständen verbunden sein wird, es verstärkt Firmen gibt, die expandieren und sich neue, moderne Büroflächen leisten können und wollen.
INKA: Erwarten Sie in Zukunft einen größeren oder kleineren Bedarf an Büroflächen in Großstädten?
Krüger: Darüber diskutieren die ExpertInnen derzeit intensiv. Einerseits wird Homeoffice und mobiles Arbeiten, nicht nur unterwegs, sondern insbesondere auch im Coworking-Space im Quartier, im Stadtteil- oder suburbanen Kleinstadtzentrum deutlich zunehmen. Das führt aber nicht eins zu eins zu einer Verringerung des Flächenbedarfs im Kernbüro. Hinzu kommt, dass die Kernbüros den neuen Anforderungen an die oben genannten unterschiedlichen Formen der Büroarbeit gerecht werden müssen. Sie werden zu vielfältigen Arbeitslandschaften umgebaut. Das erfordert zusätzlich Fläche. Wahrscheinlich wird in größeren Firmen der Anteil von Homeoffice und mobilem Arbeiten zukünftig relativ hoch sein und dort der Flächenbedarf, trotz Teilumbaus zu Arbeitslandschaften, insgesamt sinken.
INKA: Was ist mit kleineren Betrieben?
Krüger: Kleinere Betriebe werden weniger umbauen und können mangels Skalen- und Synergieeffekten kaum Fläche reduzieren. Aber sie könnten den Wechsel der Arbeitsformen und Umgebungen verstärkt im Umfeld ihres Bürostandortes realisieren: im Café, im Park, im Coworking-Space für Still- oder Teamarbeit, Besprechungen als Spaziergänge. Die Innenstadt wird wie ein Campus genutzt. Wie sich die Bilanz dieser Entwicklungen am Ende darstellt, ist ungewiss.
INKA: Droht durch die Veränderung der Arbeitswelt ein Leerstand der Büroflächen und liegt darin eine Chance die Wohnungsknappheit in Großstädten etwas zu lösen?
Krüger: Der Unterschied zwischen den Wohnungs- und Büromieten ist, trotz in den vergangenen Jahren stark steigender Wohnkosten in den Großstädten, noch immer erheblich. Und selbst wo die Büromieten wegen Alter bzw. Qualität oder Standortproblemen gering sind, können nicht einfach Wohnungen entstehen. Die Umwandlung von Büro- in Wohnflächen angemessener Qualität kommt Neubaukosten gleich. Wohnen in der Innenstadt oder an Bürostandorten wird teuer – und die Knappheit insbesondere von preisgünstigen Wohnungen nicht beheben.
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