Energieknappheit sticht Klimakrise: Kohle weiter verfeuert

Stadtleben // Artikel vom 01.11.2022

Die „Zeitenwende“ erreicht den Karlsruher Rheinhafen.

Noch vor einem Jahr kündigte die EnBW stolz an, das Kohlekraftwerk RDK 7 in diesem Sommer stilllegen zu wollen. Mit der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine kommt es jetzt zur völligen Umkehr. Der Energiekonzern erreichte beim Regierungspräsidium Karlsruhe eine Erlaubnis zum Weiterbetrieb für weitere 16 Jahre, zumindest aus wasserrechtlicher Sicht. Das Kohlekraftwerk sei „nicht einmal Stand der Technik“ und veraltet, kritisiert die Bürgerinitiative Müll und Umwelt Karlsruhe die Entscheidung. Nicht nur die zusätzlichen CO2-Emissionen belasteten das Klima.

Das Kühlwasser des 30 Jahre alten Kraftwerks sorge für „viel zu hohe Rheinwassertemperaturen“ und schädige Umwelt und Fische, sagt Horst Babenhausen von der Initiative. Der Kraftwerksbetrieb könne im Fall von Hitze oder Niedrigwasser zum Schutz der Gewässerökologie eingeschränkt werden, heißt es hingegen von der EnBW. „Klimaschutzbelange können zugunsten anderer Belange zurückgestellt werden“, begründet das RP den Weiterbetrieb und verweist darauf, dass die Stromversorgung derzeit allein durch erneuerbare Energieträger nicht gesichert sei. Die „grundrechtlich geschützte Freiheit Dritter, Emissionen auszustoßen, sowie der Klimaschutz“ müssten daher „letztlich hinter den wirtschaftlichen Interessen der EnBW“ und der Sicherheit der Energieversorgung zurückstehen. Babenhausen lässt die Begründung fassungslos zurück.

„Die der EnBW gewährte Freiheit darf kein Privileg von Industrieunternehmen sein, die mutwillig die Lebensgrundlage künftiger Generationen vernichten.“ Rechtliche Schritte gegen den Weiterbetrieb seien aber aufgrund abgelaufener Fristen nicht mehr möglich. Die Karlsruher Links-Fraktion forderte derweil in einem Brief, die Entscheidung zurückzunehmen. Mit der Verlängerungsentscheidung habe sich das RP auch über die im Gemeinderat beschlossenen Klimaschutzziele hinweggesetzt. Bereits die Stadt Karlsruhe habe in ihrer Stellungnahme eine rasche Stilllegung des RDK 7 gefordert, heißt es von der Links-Fraktion. Wie lange das Kohlekraftwerk am Netz gehalten wird, ist noch völlig unklar. Vorerst habe der Energiekonzern beschlossen, das „RDK 7 bis mindestens zum Ende des Winters 2023/24 weiter am Markt zu betreiben“, sagt der Konzern auf Anfrage. Ursprünglich hätte das Steinkohlekraftwerk aufgrund des „Kohleverfeuerungsverbots“ bis spätestens Mai 2024 schon per Gesetz vom Netz gehen müssen.

Doch durch die aktuelle Energieknappheit weist die zuständige Bundesnetzagentur auf eine weitere Hintertür hin: „Sollte sich herausstellen, dass das Kraftwerk für einen sicheren Betrieb des Elektrizitätsnetzes erforderlich ist, darf die Anlage 2024 nicht stillgelegt werden.“ Schon im kommenden Jahr könnte sich die EnBW eine Systemrelevanz des RDK 7 attestieren und damit einen längeren Betrieb genehmigen lassen. Bei der Frage, wie sich Weiterbetrieb des Kohlekraftwerks auf die eigenen Ziele der Klimaneutralität bis 2035 auswirkt, weicht der Energiekonzern aus. Man befände sich derzeit in einem „Spannungsdreieck aus den drei Anforderungen Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit der Energie.“ -fk

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