Frauenperspektiven 2015

Stadtleben // Artikel vom 14.04.2015

„Da werden Weiber zu Hyänen und treiben mit Entsetzen Scherz; noch zuckend, mit des Panthers Zähnen zerreißen sie des Feindes Herz.”

So dichtete Schiller 1799. Die allegorische Verknüpfung von Frau und Hyäne greift das politisch-kulturelle Festival „Frauenperspektiven“ 2015 nicht nur in Schillers Gedicht „Das Lied von der Glocke“ auf, die Hyäne ist auch diesjähriges Plakatmotiv der Veranstaltung mit dem Motto „Über Arbeit – Über Leben“. Selbstbewusst und selbstironisch werden so ausgelöste Assoziationen an „Mannweiblichkeit“, „Heimtücke“ und „Launenhaftigkeit“, die fälschlicherweise dem hochintelligenten, komplexen und sehr sozialen Raubtier anhaften, zugelassen und provokativ in den aktuellen feministischen Diskurs gestellt. Hat unsere moderne Gesellschaft solche klischeehaften Frauenbilder wirklich überwunden? Gelten für die Frau Freiheit und Gleichheit, das Recht auf Arbeit und ein menschenwürdiges Dasein?

19 Karlsruher Kultureinrichtungen widmen sich in 33 Veranstaltungen diesen global und soziopolitisch relevanten Fragen, die von einem allgemeinen Bedürfnis zeugen. Feierlich eröffnet wird das Festival – das größte seiner Art in Deutschland – im Substage am Do, 16.4. durch die Podiumsdiskussion „Über Arbeit – Über Leben“, u.a. mit einem ganz besonderen Gast: Sylvia Macco alias Cora E. wird die Runde mit ihren Erfahrungen als deutsche Rap-Pionierin, aber auch als Berufstätige in der Krankenpflege bereichern und sensationellerweise im Anschluss auch Songs aus ihrem Album „Corage“ zum Besten geben. In Stücken wie „Und der MC ist weiblich“ rappt Cora E. zum Beispiel über ihre Erfahrung als MC in einer männerdominierten Hip-Hop-Szene; an den Turntables steht DJ Defcut.

Um Punkt null Uhr des ersten Festivaltages am Fr, 17.4. startet dann auf www.zkm.de/frauenperspektiven2015 die virtuelle Vernissage „Frauen Video Arbeiten“, in der das ZKM mit der Literarischen Gesellschaft über die gesamte Festivalzeit rund um die Uhr künstlerische Videoarbeiten von Frauen zeigt. Die in den frühen Sechzigern entstandene Videokunst wurde stark von Frauen mitgeprägt, die in dem neuen Medium die Möglichkeit sahen, unvoreingenommen ihrer künstlerischen Sprache Ausdruck zu verleihen. Abends öffnet die Poly Produzentengalerie mit der Ausstellung „Freigeisterinnen“ ihre Türen. Durch unsere pluralistische Gesellschaft mit scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten ausgestattet, kreisen die gezeigten künstlerischen Arbeiten um das Für und Wider des Künstlermottos: „Den Freigeist, den ich rief, den lass ich nicht mehr los!“ Zu sehen ist u.a. die bunt trashige Foto-Art-Collage „Von allem zuviel“ (2014) der Künstlerin Regina Draschl, die es im April fast auf das INKA-Cover geschafft hätte. Das Motiv war aber schon im allgemeinen Presseeinsatz, weshalb wir eine andere Arbeit der Künstlerin wählten.

Ein weiterer musikalischer Höhepunkt folgt am Sa, 18.4. im Substage, wenn die Münchner Rapperin, Musikerin und Spoken-Word-Poetin Fiva mit DJ Radrum neue Songs präsentiert: Sie steht musikalisch für einen Mix aus souligem HipHop auf elektronischen Beats, der auch mal jazzig oder poppig wird. Support kommt von den Karlsruher „Speed- Punk-Girls“ Biestig. Der Care-Sonntag im Jubez (19.4.) widmet sich aus verschiedenen Perspektiven unter dem Titel „Gutes Leben und gute Arbeit – wie kann dies gelingen?“ in Workshops, Konzerten und Diskussionsrunden wichtigen Fragen zur Sorgearbeit ­– u.a. mit Bernadette La Hengst. Am Mi, 22.4. erhält Simone Demandt den „Hanna-Nagel-Preis“; in der Städtischen Galerie wird sie mit einer Ausstellung, Katalog, Preisgeld und einem Ankauf durch das Regierungspräsidium gewürdigt. Am selben Tag ist auch die neue Produktion des Kölner Tanzlabels „Dossier 3-D-Poetry“ im Kulturzentrum Tollhaus zu erleben: Unter dem Titel „Mein Körper Meine Wahl“ treffen zwei Frauen, zwei Realitäten, zwei Identitäten tänzerisch aufeinander. Tags drauf, am Do, 23.4. ab 20 Uhr, folgt unter dem Titel „Pflege lieber ungewöhnlich – Neues aus dem Haus Sonnenuntergang“ böses Kabarett im Kulturzentrum Tempel mit Sybille Bullatschek. Im Tempel gastiert am Fr, 24.4. ab 20 Uhr auch die Angolanerin Aline Frazão, die mit Musik aus dem portugiesischsprachigen Raum sozialisiert ist, woraus sich ihre eigenen Kompositionen speisen. Ob Westafrika, Brasilien, Lissabon oder Kap Verde, für Frazão ist das alles eine große, klingende Welt.

Im Badischen Kunstverein spricht am Sa, 25.4. dann eine der renommiertesten Kulturwissenschaftlerinnen Großbritanniens, Angela McRobbie, über „The Gender Of Post-Fordism and the Limits of Passionate Work“ und über die Frage, wie falsch verstandener Feminismus zu einer neoliberalistischen Gesellschaft passt. Den letzten Höhepunkt der Frauenperspektiven bildet am So, 26.4. eine Release-Veranstaltung zur ersten Publikation des FAK, des Feministischen Arbeitskollektivs (das Kürzel darf aber gern auch mit „Frau, Ahoi, Komm!“ oder Ähnlichem übersetzt werden) in der V8 Plattform für Neue Kunst. Die junge Arbeitsgruppe setzt sich für Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern ein und präsentiert in ihrer druckfrisch zu erwerbenden Publikation „Body Of Work – Arbeiten im Kollektiv“ Reflexionen zu Geschlechterrollen und deren Codes. Neben vielen weiteren Veranstaltungen runden Stücke im Staatstheater (z.B. „Schatten (Eurydike sagt)“ am So, 19.4. und Di, 21.4.) und spannende Filme in der Kinemathek (z.B. „Zuwandern“ am Di, 21.4.) das kunterbunte und hochinteressante Frauenperspektiven-Programm ab. Im Café 9bar der Kinemathek findet am 26.4. ab 20.30 Uhr dann auch der Ausklang des Festivals statt. -lys

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