Gemeinsam ziehen – aber wohin?
Stadtleben // Artikel vom 01.07.2025

„Karlsruhe zieht gemeinsam an einem Strang“.
Klingt gut, oder? Nach Zusammenhalt, Teamgeist, Schulterklopfen. Wird aber meistens dann gesagt, wenn es ums Sparen geht. Und wer diesen Satz jetzt wieder sieht, sollte sich genau umdrehen – um zu schauen, ob nicht gerade an ihm gezogen wird. In Karlsruhe z.B. zieht die Stadt an der Notbremse. Haushaltssperre, Defizit, Einsparziel – die ganze Palette. Und plötzlich hängen hier großflächig Plakate, dass die Stadt an einem gemeinsamen Strang ziehe. Das sagt sich so auf städtischen Plakaten, wenn das Geld fehlt. Aber was passiert am anderen Ende des Seils? Da steht z.B. die freie Kulturszene. Seit Jahren kreativ, engagiert, unterbezahlt – und chronisch überstrapaziert. Jetzt drohen ab dem kommenden Jahr weitere Kürzungen bei den Zuschüssen. Und zwar nach Plan: minus zehn Prozent. Macht in der Summe 160.000 Euro weniger. Im städtischen Haushalt ein kleiner Tropfen, aber für sieben Einrichtungen ist das der Punkt, an dem der Strang und die Existenz reißt. Seit 2017 wird gespart. Damals sagte die freie Kultur: Okay. Wenn alle mitziehen, ziehen wir mit. Es sollte ein Zeichen von Solidarität und Verantwortung sein – und am Ende war es nur bitter. Denn zurückgezahlt wurde die Solidarität nie. Die Kürzungen blieben, die Preise stiegen, die Budgets nicht. Was bringt es da, wenn man mitzieht – und dann doch allein gelassen wird?
Karlsruhe steht nicht aus Jux auf der Bremse. Die Stadt steckt mitten in einer Finanzkrise, geschüttelt von sinkenden Gewerbesteuern und hohen Ausgaben für ÖPNV, Krankenhäuser und einigen Pflichtaufgaben, die von Bund und Land großzügig nach unten weitergereicht wurden – ohne das passende Kleingeld. Allein das neue Bundesteilhabegesetz zur Inklusion kostet Millionen extra. Und der Bund? Lässt die Kommunen hängen. Auch Baden-Baden und Tübingen kämpfen derzeit mit Streichlisten und nicht genehmigten Haushalten. Die Stadt Karlsruhe zieht, weil sie muss. Aber: Sie zerrt noch viel weiter an Großprojekten, an denen sie sich schon in der Vergangenheit regelmäßig verhoben hat – mit Konsequenzen bis heute. So sollen mit den „World Games“ 2029 jetzt u.a. semiprofessionelle Tauzieher in die Stadt geholt werden. Geschätzte Gesamtkosten über 120 Mio. Euro, der Stadthaushalt kommt für min. 20 Mio. Euro davon auf. Auch die neue Turmbergbahn soll kommen – für rund 20 Mio. Euro. Aber man muss sich dann halt auch ehrlich fragen: Wo wird gezogen – und wo wird gezerrt? Denn am anderen Ende zieht niemand mit. Die freie Szene hat keine Subventionstöpfe in Berlin, keine Lobby in Stuttgart, keine Reserven auf dem Konto. Sie lebt von Zuschüssen, Ehrenamt, Idealismus – und ein paar Euro Eintritt. Dass Karlsruhe sie jetzt pauschal mit dem Rasenmäher kürzen will, ist kein Zeichen von Bosheit, sondern von Hilflosigkeit. Und es trifft genau die, die keinen Puffer mehr haben.
Im Kulturring Karlsruhe schlagen die Alarmglocken: Von existenzbedrohten Zuständen ist die Rede, von 400.000 Gästen, die in Zukunft vielleicht vor geschlossenen Türen stehen. Und dabei geht es nicht um „nette Abende“, sondern um Orte der Bildung, Begegnung, Vielfalt. Diesmal kämpft die freie Kultur gemeinsam. Lebendig, organisiert, geschlossen. Und sie fragt: „Geht’s noch Karlsruhe?!“ (www.gehtsnochkarlsruhe.de). Wer zieht eigentlich für uns mit? Also ja: Wir müssen ziehen, möchte man den Plakaten entgegenschreien. Aber nicht ins Prestige, sondern in die Zukunft dieser Stadt. Wer Millionen in Sportevents und Turmbergbahn steckt, darf sich nicht wundern, wenn am anderen Ende der Kultur das Seil reißt. Wenn der Bund spart, die Stadt weitergibt und die Kultur schlucken soll, dann ist das kein gemeinsames Ziehen – sondern Durchreichen nach unten. Denn eins ist klar: Wenn alle nur ziehen, um sich selbst zu retten, reicht der Strang bald nicht mehr für alle. -fk
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