Platanenbesetzung vor dem Staatstheater

Stadtleben // Artikel vom 30.01.2025

Platanen (Foto: Roger Waltz)

Um ein Zeichen gegen die anhaltende Rodung von Stadtbäumen zu setzen, haben die von der Platanenbesetzung im Sommer 2023 bekannten Karlsruher mehrere Bäume vor dem Staatstheater besetzt.

Die Protestaktion richtet sich gegen die geplante Fällung der Alleebäume an der Meidingerstraße, die dem Umbau des Staatstheaters weichen sollen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wollte die Stadt Karlsruhe Bäume fällen; nach den Platanen in der Kaiserstraße sind jetzt die Bäume vor dem Staatstheater dran. Doch einige Karlsruher waren schneller: Als die Abholztruppe am 30.1. um sieben Uhr morgens eintrifft, sitzen sie schon eine ganze Weile in den Bäumen. Die Besetzung umfasst mehrere Personen, die sich in die Bäume gesetzt haben, sowie Unterstützer am Boden, die mit Bannern und Flyern Passanten auf die Problematik aufmerksam machen. Auf einem der Banner ist zu lesen: „Karlsruhe braucht mehr Grün!“ Die Aktion wird von verschiedenen Umwelt- und Klimaschutzgruppen unterstützt, darunter das Klimabündnis Karlsruhe.

„Erst die Platanen in der Kaiserstraße, jetzt das. Wenn wir uns nicht wehren, steht bald kein Baum mehr in Karlsruhe“, kritisieren die Protestierenden die aktuelle Rodungspolitik der Stadt. „Diese Bäume stehen gerade nur noch, weil wir darauf sitzen, sonst würden sie jetzt schon als totes Holz unter uns liegen.“ Die Beteiligten schließen sich der langjährigen Forderung des BUND und des Klimabündnisses Karlsruhe nach einer stadtweiten Grünsatzung an. Die Grünsatzung soll in Karlsruhe in Zukunft verpflichtend die notwendige Begrünung der bebauten Grundstücke als wichtiger Baustein der Klimaanpassung sicherstellen. Sie weist z.B. die Zahl der Bäume, den Anteil der begrünten Flächen, der Dach- und Fassadenbegrünung aus. Bisher ist eine Grünsatzung nur als Pilotprojekt in Teilen der Innenstadt geplant.

„Bäume sind keine Verhandlungsmasse. Es kann nicht sein, dass in Zeiten der Klimakrise weiterhin wertvolle Stadtbäume für Bauprojekte geopfert werden. Diese Bäume spenden Schatten, binden CO2 und verbessern das Mikroklima der Stadt. All das spielt keine Rolle, sobald die Stadt lieber einen Betonklotz bauen will. Zudem wird es mit der weiter eskalierenden Klimakrise auch schwerer werden, dass Bäume in der Stadt überhaupt so groß werden, dass sie diesen positiven Effekt entfalten können,“ so die Protestierenden; sie „fordern daher ein Moratorium für Baumfällungen in Karlsruhe sowie eine nachhaltige Stadtplanung, die bestehendes Grün konsequent schützt und erhält“.

Bereits in der Vergangenheit gab es Proteste gegen Baumfällungen in Karlsruhe, zuletzt in der Kaiserstraße. „Immer wieder müssen wir erleben, dass Klimaschutz den kurzfristigen Interessen der Stadtplanung untergeordnet wird“, kritisiert ein Anwohner, der ebenfalls an der Besetzung beteiligt ist. „Es reicht nicht, Klimaschutzmaßnahmen auf dem Papier zu beschließen – sie müssen auch umgesetzt werden!“

„Wir bleiben, bis die Bäume bleiben!“, so die Protestierenden, die ankündigen, die Besetzung fortzusetzen, bis konkrete Maßnahmen zum Schutz der Stadtbäume ergriffen werden. „Diese Bäume sind ein wichtiger Bestandteil der Stadt und dürfen nicht einfach verschwinden. Wir fordern die Stadt Karlsruhe auf, die Rodung sofort zu stoppen und endlich eine klimafreundliche Stadtentwicklung umzusetzen.“ -ps/pat

+++ Update 31.1. +++

Kundgebung

„Erste Nacht trotz der Kälte gut überstanden, Schlafsäcke hielten. Ende weiterhin offen. Die Baumfällarbeiten fanden heute früh verzögert statt, lange passierte nichts. Doch um etwa 9.20 Uhr ging es dann doch los, wenige Meter von unseren Plattformen entfernt werden Bäume gefällt. In der Nacht gab es von uns weitere Baumschutzarbeiten: Wir erweiterten unser Traversennetzwerk durch weitere Querverbindungen zwischen den Bäumen. So schützt die Besetzung nun noch mehr Bäume als zuvor. Ohne herunterklettern zu müssen, können wir uns in der Höhe frei bewegen. Bislang kam es nicht zu Gesprächen mit Entscheidungsträgern. Wie wir nur der Presse entnehmen konnten, machte der Oberbürgermeister schnell klar, dass es von seiner Seite aus kein Gesprächsangebot geben wird. Wir finden es gut, dass sich der Oberbürgermeister schnell äußerte, und würden uns noch mehr freuen, wenn er nächstes Mal auch was zur Sache sagt. Wir stehen für Gespräche immer gern zur Verfügung und finden es schade (und bisschen bezeichnend), dass ihm das Karlsruher Stadtgrün nicht einmal ein Gespräch wert ist“, so die Aktivisten.

Programm Fr, 31.1.:

  • 15 Uhr: Bannermalen
  • 17 Uhr: Kundgebung
  • 19 Uhr: Gemeinsames Abendessen (Mitbring-Büfett)

+++ Update 1.2. +++

Umstrittetene Fällaktion könnte für den OB juristisches Nachspiel haben

Anwohner planen Strafanzeige gegen den Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup: Nachdem bei der umstrittenen Fällaktion der Platanen am Staatstheater in der Karlsruher Innenstadt nun auch mehrere Bäume wohl gesetzeswidrig gefällt wurden, prüfen Anwohnender rechtliche Schritte. Konkret soll die Rodung der zwei direkt an der Meidingerstraße stehenden Platanen gegen die expliziten Vorgaben des Bebauungsplans verstoßen haben. Die betroffenen Platanen waren als „besonders schützenswert und erhaltenswert“ eingestuft und daher mit einem sogenannten Erhaltungsgebot belegt worden.

Dass diese gesetzlich verbindliche Vorgabe durch die vielfach dokumentierten Fällungen bereits am ersten Tag der umstrittenen Fällungen gebrochen wurde, empört auch die Anwohner: „Es reicht ja nicht, dass die meisten der großen, alten Bäume gefällt werden dürfen. Nein, selbst darüber hinaus scheut die Stadt Karlsruhe scheinbar weder Kosten noch Mühen, die Stadt jeden Tag ein bisschen trister und grauer zu machen.“

Aber nicht nur trister und grauer, sondern auch weniger biodivers und weniger kühlend werden die Flächen durch die gesetzwidrigen Rodungen wirken: Wie Harry Block vom BUND Karlsruhe bei einer spontanen Kundgebung am Freitagabend erläutert, sind die Platanen entlang der Meidingerstraße besonders wichtig für die Biodiversität und das Stadtklima. Und, ganz besonders wichtig: Die Platanen hätten – wie auch in den Planungsdokumenten festgelegt – trotz des Umbaus am Staatstheater erhalten werden können.

Baumfällung nun ein Fall für die Staatsanwaltschaft

Strafbar sein könnte dieses Vorgehen nach §30 Baugesetzbuch sein. Anzeigen wollen die Anwohner Mentrup zudem auch wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung. Das Besondere dabei: Der OB war selbst derjenige, der von Amts wegen den nun gebrochenen Bebauungsplan unterzeichnete. Die Staatsanwaltschaft wird nach Eingang der Anzeige dieser erst einmal nachgehen müssen, da der Verdacht auf eine Straftat im Raum steht. Im Anschluss könnte auch eine Überprüfung der weiteren, noch nicht durchgeführten Fällungen erfolgen.

Wachstum von mehr als 50 Jahren in wenigen Minuten zerstört

„Auch wenn eine solche Platane gut 50 Jahre braucht, bis sie diese Größe erreicht, hat es nur wenige Minuten gebraucht, um sie zu fällen. Diese Aufenthaltsqualität an der Meidingerstraße lässt sich auch in Jahrzehnten nicht wiederherstellen“, bringt einer der Besetzer der übrigen Platanen seine Trauer um die gefällten Bäume zum Ausdruck. „Wenn rechtswidrig schützenswerte Bäume gefällt werden, können wir das nicht einfach hinnehmen. Wir werden in den Platanen bleiben, bis die Platanen bleiben.“ Bislang stehen tatsächlich noch mindestens sieben der Platanen, die auch den gültigen Plänen zufolge gefällt werden sollen. Ob weitere Bäume in Abweichung vom Plan rechtswidrig gefällt werden, bleibt abzuwarten. -ps/pat

+++ Update 11.2. +++

Gemeinsame Erklärung zur Baum- & Grünflächensituation am Badischen Staatstheater

Am 6.2. fand ein Treffen zum gemeinsamen Austausch zwischen den Besetzern der Gruppe „Karlsruher Platanen bleiben!“, Bürgermeister Albert Käuflein, Verantwortlichen des Gartenbauamts, der Leiterin von Vermögen und Bau Karlsruhe Dagmar Menzenbach und dem Kaufmännischen Intendanten des Badischen Staatstheaters Johannes Graf-Hauber statt. In diesem haben alle Beteiligten ihre Positionen in einem sachlichen Gespräch in freundlicher Atmosphäre dargelegt. Beide Seiten erkennen die Bedeutung von Stadtgrün und Klimaschutz an, während gleichzeitig die Notwendigkeit der Sanierung und Erweiterung des Badischen Staatstheaters außer Frage steht. Dies möchten die Baumbesetzer ohne die Zerstörung von Bäumen erreichen.

Kompromissbereitschaft & Deeskalation

Die Kernforderungen der Gruppe „Karlsruher Platanen bleiben!“ sind zum einen die Verabschiedung einer stadtweiten Grünsatzung sowie bis dahin ein Fällmoratorium für alle Stadtbäume. Um eine einvernehmliche Lösung zu ermöglichen, hat die Stadt Karlsruhe der „Initiative Karlsruher Platanen bleiben!“ das Angebot gemacht, von einer Anzeige aufgrund von Hausfriedensbruch oder einer unangemeldeten Versammlung abzusehen, sofern eine freiwillige Räumung bis zum Donnerstag stattfindet.

Nachhaltigkeit als gemeinsames Ziel

In den Grundsätzen scheinen sich die Stadt und die Besetzer dabei einig zu sein: Es müssen so viele vitale Bäume wie möglich erhalten bleiben. Entsprechend sagt auch der anwesende Bürgermeister Käuflein zu, sich gemeinsam mit OB Frank Mentrup bei verschiedenen Stellen der Stadt für die Belange des Baumschutzes starkzumachen. Auch beim Um- und Neubau im öffentlichen Straßenraum wird in Zukunft aufgrund der zunehmenden Herausforderungen des Klimawandels intensiver versucht werden, jeden gesunden Baum zu erhalten.

Ergebnisse des Gesprächs

Konkrete Ergebnisse brachte das Gespräch keine, denn die von den Besetzern geforderte Grünsatzung muss erarbeitet und vom Gemeinderat beschlossen werden. Einem solchen Beschluss sehen Stadtverwaltung und die Gruppe „Karlsruher Platanen bleiben!“ gemeinsam entgegen, denn dieser könnte Karlsruhe über die nächsten Jahrzehnte zu einem erheblich grüneren und lebendigeren Stadtbild verhelfen. „Was es braucht, ist ein politischer Beschluss, der den Baumschutz fest in einer stadtweiten Grünsatzung verankert. Dazu befinden wir uns bereits in Gesprächen mit einigen Fraktionen im Gemeinderat“, erklärte eine Sprecherin der Gruppe.

Sanierung & Erweiterung Badisches Staatstheater

Im Rahmen der Bauplanung für das Neue Staatstheater wurden umfassende Maßnahmen für eine nachhaltige Bauweise und einen ökologischen Ausgleich festgelegt. So wird die Dachbegrünung über die planungsrechtlichen Vorgaben hinaus erweitert, um das Stadtklima positiv zu beeinflussen. Eine Photovoltaikanlage liefert künftig nachhaltige Energie und reduziert den ökologischen Fußabdruck des Gebäudes. Zudem senkt die energetische Sanierung den Energieverbrauch erheblich und verbessert die CO2-Bilanz, während gleichzeitig die im Bestandsgebäude gebundene graue Energie erhalten bleibt. Die Zusammenlegung der Spielstätten, Probebühnen und weiterer Funktionseinheiten vekürzt Transportwege und verringert den innerstädtischen Verkehr. Darüber hinaus setzt das Staatstheater mit der Einrichtung einer Stelle für Transformationsmanagement Nachhaltigkeit Kultur gezielt auf eine klimafreundlichere Betriebsweise, die kontinuierlich weiterentwickelt wird.

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