Protest gegen Pläne zu neuer Turmbergbahn

Stadtleben // Artikel vom 11.08.2021

Seit Wochen wird in Durlach über die Verlängerung der Turmbergbahn gestritten.

Die Trasse soll um 200 Meter verlängert werden und die neue Talstation näher an die Straßenbahnhaltestelle und die Bundesstraße rücken. Die Turmbergbahn ist die älteste, noch im Betrieb befindliche Standseilbahn Deutschlands und müsse in Sachen Barrierefreiheit und Brandschutz auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden, so die für die Sanierung verantwortlichen Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK). Im Herbst 2022 erlischt die derzeitig gültige Betriebserlaubnis. Die Baukosten für Sanierung und Verlängerung der Bahn schätzt sie derzeit auf 20,9 Millionen Euro, von denen mindestens die Hälfte vom Land getragen werden sollen. Langfristig soll die Turmbergbahn 220.000 Fahrgäste pro Jahr auf 515 Metern Schiene fahrerlos auf den Turmberg transportieren. Die bisherige Bahnstrecke würde jährlich von 120.000 Passagieren genutzt, so die VBK.

Die „Interessengemeinschaft Zukunft Turmbergbahn“ stellt sich mit Protestaktionen und einer Petition gegen die Pläne und setzt sich für eine Sanierung der Turmbergbahn „in ihrer jetzigen Form und Länge“ ein. Eine solche „reine Sanierung“ wäre mit Kosten von rund zwölf Millionen Euro deutlich günstiger, so die Initiative. Doch die Verlängerung sei nicht nur „unrentabel“ und eine „Verschwendung von Steuermitteln“; eine Verlängerung der Gleise durchschneide und zerstöre mit ihren 1,80 Meter hohen Zäunen zudem ein historisch gewachsenes Wohngebiet. Für die neue Bahnanlage müsste der bisherige Grünstreifen weichen. Darüber hinaus drohe mit der Ausweitung der Fahrgastzahlen ein „Ansturm“ und dem Landschaftsgebiet des Turmbergs ein „ökologisches Fiasko“, kritisiert die Durlacher Initiative

Bereits 2020 hatten der Durlacher Ortschaftsrat einstimmig und der Karlsruher Gemeinderat mehrheitlich für die Erweiterungspläne der VBK gestimmt. Die städtische Gesellschaft betont, in der Planung die „Bedürfnisse der Betroffenen berücksichtigt und gegenüber dem Nutzen sachgerecht abgewogen“ zu haben. Mit der Genehmigung des Bauvorhabens ist derzeit das nach dem Landesseilbahngesetz zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe beschäftigt. Dadurch entfällt in diesem Fall die Prüfung des Bauvorhabens auf seine „städtebauliche, architektonische und gestalterische Qualität“ durch den städtischen Gestaltungsbeirat. Beim Planfeststellungsverfahren könne die Stadt als „Träger öffentlicher Belange“ zwar einbezogen werden, doch auf die Beurteilung des städtebaulichen Werts des Gestaltungsbeirats kann die Verwaltung nur bauen, wenn die VBK zustimmt. Bislang beschränken die Verkehrsbetriebe die Mitsprache anderer Parteien auf die Gestaltung von Stationen, Zaun, Fahrzeug und Fahrgastraum. Dies steht den Wünschen der Stadtverwaltung entgegen, die eine Befassung im Gestaltungsbeirat für relevant hält, da „die Verlängerung der Trasse wesentlich in die städtische Struktur eingreift.“ -fk

Kommentar: An den Interessen vorbei

Der öffentliche Personennahverkehr muss auch in Karlsruhe weiter ausgebaut werden. Investitionen und Maßnahmen, die die Bahn oder andere öffentliche Verkehrsmittel attraktiver machen, sind daher erst mal richtig. Je weniger Autos in den Innenstädten unterwegs sind, umso besser und notwendiger für den Klimaschutz, aber auch umso mehr Raum und Platz für eine lebenswerte Stadt. Doch um Menschen vom Auto auf die Schiene zu bekommen, muss das Bahnfahren günstiger werden! Schon die jüngste Fahrpreiserhöhung der KVV dürfte als Vorgriff auf die zusätzlichen Betriebskosten der Kombilösung von 30 Millionen Euro pro Jahr zu werten sein. Wie schon bei der milliardenschweren Kombilösung werden auch bei der Turmbergbahn wirtschaftlichere Alternativen verworfen. Bei der Kostenberechnung kommt es nicht darauf an, ob ein Zuschuss aus der Landeskasse höher oder niedriger ausfällt. Es bleibt öffentliches Geld.

Umso unverständlicher ist, dass eine städtische Gesellschaft die Planungen für ein so großes wie dauerhaftes Städtebauprojekt an der Stadtgesellschaft und ihren Gremien vorbeiplant. Selbst ein gewähltes Gremium wie der Durlacher Ortschaftsbeirat muss um die Herausgabe der Pläne bei der stadteigenen Gesellschaft kämpfen. Wenn in einer solchen Größenordnung Steuergeld ausgegeben wird, müssen der Nutzen und die städtebaulichen Folgen gesellschaftlich diskutiert werden. Die Fachleute für solche Fragen sitzen beispielsweise im Gestaltungsbeirat der Stadt. Dass die VBK die Mitsprache des Gremiums auf Fragen der Farbe der Sitze beschränken kann, ist eine Farce. Die von vielen nicht zu Unrecht als Schandfleck empfundenen Entwürfe müssen dringend im gesellschaftlichen und politischen Dialog überarbeitet werden, sonst droht ein weiteres Bahnprojekt an den Interessen der Menschen vorbeigebaut zu werden. -fk

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