Schlaflabore & Urbane Eventzonen

Stadtleben // Artikel vom 15.09.2019

Manchmal ist „Urlaub dehoaim“ wie sehr gutes Kabarett.

Wobei ich ja privat sehr lustig bin und versuche, meiner Frau den Helge zu ersetzen. Bei einem Besuch im Club Die Stadtmitte donnerstags am frühen Abend erzählte mir die Geschäftsführerin, dass der Innenhof von der Volkswohnung verschönert werden solle und u.a. auf eine Ebene gebracht. Was die Volkswohnung auf Anfrage bestätigt, auch um die Aufenthaltsqualität für ihrer Mitarbeiter dort zu erhöhen. Beim Geplauder mit einem alten DJ-Kollegen aus dem Carambolage machte mich dieser dann auf ein neues Nachverdichtungsareal aufmerksam: Für das Viertel direkt neben dem Alker-Block am Hbf will die Stadt einen Bebauungsplan aufstellen. Der neue Investor habe das reine Wohngebiet jetzt aber schon weitgehend verändert. Das ist in der Tat so. Wo zuvor nur an der dem Hbf zugewandten Seite Gewerbe bzw. die Aachen Münchener Versicherung angesiedelt war, gibt’s nun eine größere Gastronomieeinheit mit Terrassenlocation im 6. Stock und und und.

Bevor über den Bebauungsplan endgültig beschieden ist, wurden von den neuen Eigentümern einfach schon mal Fakten geschaffen. Die Anwohner laufen Sturm gegen das „Mischgebiet“ oder „urbanes Gebiet“, das dort geplant ist. Als wir paar Tage später frühmorgens zu einem Kurztrip aufbrachen, rutschte mir beim Vorbeifahren heraus: Da stehen ja noch viele Bäume im Innenhof, die muss man dringend fällen. Der ausländische Taxifahrer schaute mich an, als wolle ich gleich die Motorsäge rausziehen statt den Geldbeutel.

Aber zurück zur Stadtmitte-Visite: Zum Abschied deutete die Geschäftsführerin oben auf zwei Leute, die da rauchten und Kaffee tranken. Es wurde schon leicht dunkel. Ja, da seien neue Mieter eingezogen, die dort ein Schlaflabor betreiben. Die Polizei wurde schon gerufen, ab 22 Uhr sollten die Bässe ausgedreht werden. Ein Schlaflabor über einem Club?! Wobei: Im Schlaflabor sollen ja die Leute künstlich wachgehalten werden. Also ein geschickter Coup der Vermieter, der Volkswohnung? Inzwischen hat sich diese vermittelnd eingeschaltet und laut Pressesprecherin für Einvernehmlichkeit gesorgt.

Gäste hatten wir auch kurz im Sommer. Wir wollten in der Straßenbahn, die sie noch oberirdisch kennenlernen wollten, nach Durlach. Nach gefühlt 30 Umleitungen bekamen wir ein gutes Stadtbild, geprägt von Baustellen, Baustellen, Baustellen, ich kam überhaupt nicht hinterher mit dem Erklären. Durchschnaufen bei maximaler Hitze an dem riesigen Büroblock bei der VBK am Schlachthof, wo es staubt wie in der Sahara Ost. Kurz vor Durlach noch auf die anschmiegsame ökologische wie architektonisch ansprechende neue dm-Zentrale verweisen. Gefühlte Fahrzeit in unserer Stadteventbahn: mindestens Mannem und zurück. Reale Fahrtzeit: 40 Minuten. Was eine Hitze. Schnell ins Cielo, einen frisch gepressten O-Saft mit viel Eis trinken. Am Abend dann die „Schlosslichtspiele“. Super, fanden unsere Gäste aus der Metropole. Peter Weibel hat das ZKM ganz wesentlich geprägt und Karlsruhe weltweit auf die Kunstlandkarte gesetzt. Schon 2020, Ende nächstes Jahr, soll sein Vertrag bereits auslaufen. Um alles noch zu bearbeiten, fehle ihm daher die Zeit, künftig noch die von ihm selbst konzipierten „Schlosslichtspiele“ sowie die Unesco-Bewerbung der Stadt als „City Of Media Arts“ zu betreuen. Weibel bot erneut an, gerne weiterzumachen. Wie Kollege Hübl in den BNN berichtete, erwähnte der OB zuvor bei der Pressekonferenz zur Unesco-Bewerbung den Namen Weibel nicht. Man darf gespannt sein, wie die Geschichte ausgeht; der Mediator ist dann vermutlich Martin Wacker, Organisator der „Schlosslichtspiele“, der sich dafür aussprach, dass Weibel die „Schosslichtspiele“ auch 2020 künstlerisch betreut. Einen ersten Ausblick auf die „Peter Weibel“-Ausstellung im ZKM ist im Kunstteil zu finden.

Karlsruhe war im Sommer ja wieder unfreiwillig in den überregionalen Schlagzeilen. Künstlerisch. Ende August steckte das Bildhauerpaar Barbara Jäger und OMI Riesterer eine „Figur“, sprich eine über ein Gerüst gestülpte Hose mit Gummistiefeln kopfüber in einen Brunnen am Festplatz. Eine spontane Aktion, inspiriert von einer Ausschreibung der Stadtwerke. Letztlich wurde die Kunstintervention dann aus Sicherheitsgründen abgeblasen, wegen der Kinder. Wenig schön auch die zahlreichen TV-Statements zu den flächendeckenden „Malträtierung“ von Kulturinstitutionen. Im Fokus zwei Leute mit KA-Background: Marc Jongen, der bildungspolitische Sprecher der AfD und jahrelanger Adlatus von Sloterdijk. Legendär sein Spruch von der „links versifften Kultur“, mit dem er sich in Berlin einführte. Da hatte er in Karlsruhe ja lange Anschauungsunterricht zu bei der vitalen Kultur- und Kunstszene. Aber o.k. Berlin ist schlimmer. Panne, dass dann auch noch Sloterdijk überall zu der braunen Sauce rumbrabbelt. Die Redaktionen geben so der Debatte in den diversen TV-Features eine gewisse Legitimität. Auch die „Zeit“ mischt mit: Der renommierte Kunsthistoriker, Autor und ehemalige Professor an der HfG, Wolfgang Ullrich, hat in einem „Zeit“-Artikel im Werk Neo Rauchs „einige Motive rechten Denkens“ ausgemacht. Dieser konterte im Sommer mit dem großformatigen Bild „Der Anbräuner“ (ebenfalls in der „Zeit“ veröffentlicht), das den Kunsthistoriker als Maler an der Leinwand zeigt, der mit seiner Kacke ein Bild zu malen versucht.

Für 550.000 Euro, auf die er später offenbar freiwillig nochmals 200.0000 drauflegte, ersteigerte Christoph Gröner das Bild für eine Stiftung. Er ist mit seiner CG Gruppe, einer der größten Immobilienfirmen des Landes, künftiger Hauptsponsor des KSC und steht hinter der GEM-Gruppe um den Ingenieur Martin Alexander Müller, die das große C-Areal in der Nordweststadt ersteigert hat. Wie mir erst nach der Wahl bekannt wurde: Dieser kandidierte auf Platz 13 der Gemeinderatsliste – für die SPD. Und fordert ungeniert öffentlich Hilfe von OB und BM Fluhrer, um die Projektentwicklung schneller voranzubringen. Naja: Das Rauch-Bild ist wohl sicher absichtlich handwerklich kackeschlecht gemalt. Warum man dafür eine Dreiviertelmillion hinblättert, wissen nur die Immo-Götter. -rw

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