Schlosslichtspiele 2020
Stadtleben // Artikel vom 05.08.2020
Zum Digitalkunstwerk in Reinform werden die „Schlosslichtspiele“ in ihrer sechsten Spielzeit, die der neuen Erdpolitik gewidmet ist.
Corona wegen weichen ZKM und KME auf den virtuellen Raum aus. Unter dem Titel „Abbruch in der Realität – Aufbruch in die Virtualität“ feiert Karlsruhe als „Unesco Creative City of Media Arts“ die Weltpremiere eines Web Projection Mappings mit maximaler Reichweite: Denn die globale Strahlkraft der „Schlosslichtspiele“ erreicht mit dem daraus resultierenden nicht-lokalen Massenpublikum von Karlsruhe bis Sydney eine neue Dimension. Auch am Bildschirm ist es via www.schlosslichtspiele.info möglich, zwischen verschiedenen Beobachterpositionen zu wählen, als ob man sich tatsächlich vor der Schlossfassade bewegen würde.
Mithilfe von Satellitendaten, fotogrammetrischen Drohnen und DSLR-Aufnahmen werden das Schloss und sein Vorplatz in täuschend real wirkender Weise nachgestellt; aus über 42.000 Einzelbildern, 120 Minuten 4K-Videomaterial und organisch erzeugten Texturen eine neue Infrastruktur und Umgebung erzeugt, in denen der Betrachter seinen Standpunkt selbst bestimmen kann. Zwei Shows wurden exklusiv für die „Digitale Edition“ kreiert: Die seit 1999 aktiven und damit zu den Pionieren des Genres zählenden Bielefelder The Nightlab blicken mit „Attitude Indicator“ in acht Szenen auf zwei mögliche Erden; eine tote und eine lebendige, gleich einer Weggabel, an der sich die Richtung entscheidet. Feuer und Wasser, Industrie und Natur, Verfall und Wachstum stehen sich in immer schneller werdendem Wettlauf um die schlussendliche Entscheidung gegenüber. Während der Corona-Pandemie hat Veränderung vielfach Stillstand bedeutet. Rüstungsschmie.de zeigen, dass sie immer auch Chancen birgt. Der Sog des Sounds von „Changes hoch drei“ zieht in einen Wahrnehmungstunnel und -taumel, der Wandel und Wirkung in die gestalterischen Hände des Menschen legt. Eine der möglichen Zukünfte könnte Europa heißen...
Die übrigen Tage läuft ein SLS-Best-of der vergangenen Jahre: Die ungarische Künstlergruppe Global Illumination erzählt mit „The Object Of The Mind“ (2018) eine Geschichte vom Aufstieg der Apparate. Dragos Stefans „Defilee“ (2016) zum 100. Geburtstag der Avantgarde ist gespickt mit ikonischen Werken aus Malerei, Fotografie und Film; Politische und künstlerische Revolutionen und Innovationen des 20. Jahrhunderts rauschen über die Schlossfassade: Die feierliche Parade beginnt mit den Kronhäuptern 1913 in St. Petersburg und endet mit den Models von André Courrèges und Paco Rabanne 1967 in Paris. „Reverb“ (2015), die erste „Schlosslichtspiele“-Show von László Zsolt Bordos, lässt in eine hypnotische Bild-Klang-Welt versinken. Regelmäßige Linienmuster brechen auf zu komplex-verwobenen Strukturen; die strenge Geometrie reagiert auf den hypnotischen Soundtrack und geht über in fließende Gebilde.
Nicht fehlen darf natürlich der SLS-Klassiker schlechthin – „300 Fragments“ (2015), die zum 300. „Stadtgeburtstag“ von den Publikumslieblingen Maxin10sity kreierte Zeitreise durch Karlsruhes Geschichte. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Fächerstadt werden von einer überwältigenden Soundkomposition komplementiert: Das Schloss verglüht, schmilzt, verwandelt sich in eine Bibliothek oder einen Benz-Motor, erzählt von der Legende der Stadtgründung und den Plänen des Markgrafen, bis es schließlich in einen Datenstrom aus Millionen Pixeln zerfällt. Sofern größere Zusammenkünfte wieder bedenkenlos möglich sind, könnten die „Schlosslichtspiele“ auch noch vor der nächsten Spielzeit in die dingliche Welt zurückkehren.
Ab Fr, 14.8. werden die abendlichen Shows in wechselnden Zusammensetzungen und Reihenfolgen in zwei Schleifen gespielt - um 20.15 Uhr und um 22 Uhr. Der Stream startet jeweils schon eine Viertelstunde vorher mit dem Countdown sowie einem neugierigen Großherzog von Baden, der seinen Blick dem Schloss zuwendet. -pat
5.8.-13.9., tägl. 20.15 Uhr
www.schlosslichtspiele.info
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