See oder Jugend: Wer findet Platz am Otto-Dullenkopf-Park?
Stadtleben // Artikel vom 02.10.2021
Raum für die Jugend oder weniger Klimastress für einen Stadtteil?
Rund um den Otto-Dullenkopf-Park ist ein neuer Verteilungskampf um die knappen Flächen der Stadt entbrannt. „Ich war verblüfft und irritiert, dass die Planungen für einen See im Park ignoriert werden“, sagt Jürgen Scherle, Vorsitzender des Bürgervereins Oststadt. Erst auf einer Sitzung des Planungsausschusses erfuhren er und die anderen Vereinsmitglieder davon, dass nach dem Wunsch der Stadtverwaltung „die alten Wagenhallen voll aktiviert werden sollen“. Satt eines Sees sollen jetzt Zirkus- und Parcours-Angebote sowie das Fanprojekt auf dem ehemaligen Dekra-Gelände Platz finden. „Der See wäre für uns klimatisch sehr wichtig. Die alte Oststadt mit Blockrandbebauung würde durch den See kalte Luft bekommen, der zudem eine notwendige Erholungsfläche für die Bürger am Abend bieten würde“, sagt Scherle.
Der Karlsruher Baubürgermeister Daniel Fluhrer verteidigt dagegen die neuen Pläne. Die schon bislang vom Stadtjugendausschuss in Zirkus- und Aktionszelten im benachbarten Park getragenen Jugendangebote würden sehr gut angenommen. „Die Jugendlichen der Bewegungsszene haben in Anschreiben und zwei Vor-Ort-Terminen ihre Pläne für die weitere Nutzung der Wagenhallen vorgestellt und konnten die Fraktionen und die Verwaltung überzeugen, dass ein Erhalt der Wagenhallen notwendig ist um Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen witterungsunabhängigen Entfaltungsraum zu geben.“ Im Mai 2020 wurde im Bebauungsplan des Areals daher ein teilweiser Erhalt der stadteigenen Wagenhallen beschlossen. „Der See war als eine Option dargestellt, aber nicht planungsrechtlich festgesetzt“, sagt Fluhrer. Dies ist zur Anlage eines Sees auf ausgewiesenen Grünflächen allerdings auch nicht nötig. Danach hätten sich VertreterInnen der Bewegungsszene aber gegenüber Fraktionen und Verwaltung für den Erhalt der kompletten Wagenhallen ausgesprochen.
Nach dem Beschluss des Bebauungsplans ist eine zweite Einrichtung des Stadtjugendausschusses auf den Plan getreten. Das Karlsruher Fanprojekt ist bereits seit 2013 auf Raumsuche, die das C-Areal in der Nordstadt Mitte 2022 aufgrund des dort anstehenden Abrisses verlassen müssen. Zehn neue Standorte seien geprüft worden, die aber aufgrund schlechter Erreichbarkeit oder mangelndem Platzangebot verworfen werden mussten, sagt Fluhrer. „Eigentlich wollte uns keiner haben“, beschreibt Volker Korenzig, der Leiter des Fanprojekts, die frustrierende Raumsuche. Auch die Idee eines Neubaus an der Erzbergerstraße scheiterte an einer Intervention der Polizei, die aufgrund der Drehung der Blöcke im neuen Stadion einen Standort im Osten der Stadt einforderte. Der jetzt geplante Standort am Otto-Dullenkopf-Park ist nach INKA-Informationen vor allem auf die Intervention des Oberbürgermeisters zurückzuführen.
Nach der Besichtigung eines anderen Standorts für das Fanprojekt kam eine Runde mit Frank Mentrup an den alten Wagenhallen vorbei. Ob das nicht ein idealer Standort für das neue Fanprojekt sei, fragte der Oberbürgermeister plötzlich und forcierte anschließend die Pläne. Innerhalb des Stadtjugendausschuss herrschte anfangs Skepsis, ob sich die beiden von ihnen getragenen Angebote an einem Ort vereinbaren ließen. Dies konnte in gemeinsamen Gesprächen, auch der Jugendlichen, abgebaut werden. Korenzig sieht große Möglichkeiten mit „allen Jugend-Subkulturen auf einem Gelände“. Nach einer Übergangsnutzung in Containern sei der Einzug des Fanprojekts an dem dann endlich langfristigen Ort für das Jahr 2024 geplant. Ein Nachbar bliebe konstant, auch die Parcours-Halle war vorher auf dem C-Areal. Ohne genauer auf den Prozess der zusätzlichen Ansiedlung des Fanprojekts einzugehen, verweist Fluhrer darauf, dass sich „die bauliche Substanz der Wagenhallen als besser erwies, als zuvor erwartet“. Einen Ausschreibungs- und Vergabeprozess habe es aber nicht gegeben. Dem Vernehmen nach sollen die Kosten der Sanierung etwa sechs Millionen Euro betragen.
Mit der Ansiedlung des Fanprojekts im nördlichen Teil und dem Erhalt der gesamten Wagenhallen sei „die Planung eines Sees in bisheriger Lage und Größe unvereinbar“, stellt Fluhrer klar. Zwar solle das „Element Wasser“ bei den weiteren Planungen des Otto-Dullenkopf-Parks eine größere Rolle spielen als ursprünglich angedacht, doch mit den „technischen und finanziellen Möglichkeiten der Stadt“ sei „die Anlage und Unterhaltung des Sees, wie der Bürgerverein ihn fordert, aus Sicht der Stadtverwaltung auf absehbare Zeit nicht darstellbar“, so der Baubürgermeister. Scherle ärgert sich, dass die Stadt auf technische Schwierigkeiten verweist: „Die Planungen eines Sees gibt es schon seit 2003, als Karlsruhe mit einer Bewerbung zur ‚Bundesgartenschau‘ begann. Es kann doch nicht sein, dass die Planer über Jahrzehnte auf den Kopf gefallen sind. Dass es nicht leicht ist, ist mir klar, aber es muss doch möglich sein, über Leitungen Niederschlagswasser von Straßen und Gebäuden in den See zu leiten“, sagt Scherle. Er wünscht sich, dass das Fanprojekt noch verlegt wird und schlägt das neue Stadion vor, das mit öffentlichen Mitteln gebaut und in dem „die KSC-Fans mit Herzen gerne“ wären. „Das Stadion war immer die schlechteste Option“, sagt hingegen Korenzig.
Das Fanprojekt arbeite auch mit Jugendlichen mit Stadionverbot, was dort nicht möglich wäre. Zudem sei die „Anbindung des Stadions an den ÖPNV katastrophal“ und würde Jugendliche im Herbst und Winter in die Dunkelheit zwingen.„Wir werden darum kämpfen, davor und dahinter einen See anzubringen“, will Scherle derweil auch nicht aufgeben, wenn die Wagenhallen vollständig an die Angebote des Stadtjugendausschuss gehen und hat auch Verständnis für den Raumbedarf der Jugend, nur eben nicht an dieser Stelle. Für Fluhrer ist es dagegen ein „Glücksfall“, auf den „Flächen kostengünstig und ohne Neuversiegelung den Mangel an Bewegungsflächen mildern“ zu können. Politik und Verwaltung scheinen entschlossen, in diesem Fall den Bedürfnissen Teil eines Teils der vielen Raumsuchenden der Stadt den Vorrang zu geben. Es wäre zu wünschen, dass die Diskussion über die Nutzung anderer, der immer knapperen Flächen in der Stadt ähnlich vielstimmig und nicht allein nach der Prämisse der erwarteten kurzfristigen wirtschaftlichen Verwertbarkeit geführt würde. -fk
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