Sigrid Feßler – „Street Art in Karlsruhe“
Stadtleben // Artikel vom 06.07.2021
Das INKA-Interview mit Fotografin Sigrid Feßler.
INKA: Sie waren fast ihr ganzes Berufsleben in der Immobilienwirtschaft tätig. Wie kommt es, dass Sie ein Fotobuch ausgerechnet über Street-Art und Graffiti und deren Mixformen herausbringen? Meist sind es ja Hausbesitzer, die sich mit Taggereien herumplagen...
Sigrid Feßler: Nach 30 Jahren habe ich meine führende Position in einem großen wohnungswirtschaftlichen Verband aufgegeben und leite heute eine juristische Beratungspraxis – was mir mehr Zeit für meine große Leidenschaft lässt: das Fotografieren. Von den künstlerischen Ausdrucksformen im Straßenbild bin ich schon seit jeher fasziniert und nach einigen Berlin-Besuchen, wo Street-Art ja sehr präsent ist, reifte der Gedanke, ein Fotobuch über die Karlsruher Street-Art zu erstellen.
INKA: Sie haben auf den 188 Seiten mehrere Hundert Arbeiten fotografiert. Nach welchen Kriterien sind sie vorgegangen?
Feßler: Im September 2019 habe ich mich mit meinem Fotoapparat systematisch auf Motivsuche durch die Karlsruher Stadtteile begeben. Fotografien können den Werken zwar nur bedingt gerecht werden, weil sie die Dimensionen und das Umfeld nur schwer vermitteln, aber gleichzeitig entsteht so eine neue Art von Kunstwerk. Ich habe bewusst die traditionelle Form eines Bildbandes gewählt und nachdem ich mein Buch selbst gestaltet habe, beschlossen, es über meinen Kathi-Glatt-Verlag zu vertreiben. Mittlerweile kann man es auch im Reisebuchladen, bei Hoser + Mende sowie bei Thalia kaufen.
INKA: Wie kamen Sie zum Fotografieren?
Feßler: Ich habe mir die Fotografie selbst angeeignet. Neben Landschaftsbildern und Städteimpressionen interessieren mich vor allem die kleineren, unscheinbareren Dinge im Stadtbild. Derzeit bin ich jedoch dabei, ein Bautagebuch über die jahrelange Großbaustelle am Karlstor zu erstellen, da ich in der Nähe wohne.
INKA: Mannheim lädt teils arrivierte Artists ein, Häuserblöcke oder markante Stadthäuser zu gestalten. Wie unterschiedet sich Karlsruhe in Sachen Street-Art von anderen Städten?
Feßler: Berlin und Frankfurt sind da schon viel weiter und in Mannheim wird Street-Art geradezu zelebriert: Seit 2013 haben (inter-)nationale Künstler die Möglichkeit, Murals an Fassaden im ganzen Stadtgebiet anzubringen und jeder kann beim Entstehungsprozess dieser Wandgemälde zusehen. So wurde das Open Urban Art Museum geschaffen. Durch das Projekt „Stadt Wand Kunst“, hinter dem u.a. die Städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG steht, sind schon über 30 Wandgemälde entstanden. Karlsruhe ist da zwar noch nicht ganz so weit, aber auch hier hat die Stadt schon frühzeitig erkannt, dass Polizeieinsätze gegen Graffiti und vor allem Schmierereien allein nicht viel ausrichten können und den Sprayern stattdessen Flächen zur Verfügung gestellt, wie in der Günther-Klotz-Anlage oder auf dem Messplatz – und es damit geschafft, den künstlerischen Wert der Graffitis in den Vordergrund zu rücken. Ein gutes Beispiel sind die vier Haltestellen Ebert-, Kurt-Schumacher-, August-Bebel- und Franz-Lust-Str., die als Auftragsarbeit der Stadt von Künstlern des Hagsfelder Hip-Hop-Kulturzentrums Combo besprüht wurden. Ganz neu ist die legale Gestaltung der Unterführung unter der Durlacher Allee.
INKA: Würden Sie sich in Karlsruhe mehr Initiativen von privaten und städtischen Immobilienbesitzern wünschen, um das Stadtbild mit Street-Art visuell aufzumöbeln? Es würden sich eine große Anzahl riesiger vor sich hingilbender Häuserwände quer über die Stadt anbieten.
Feßler: In Mannheim ist es der Städtischen Wohnungsbaugesllschaft ein Anliegen, Quartiere u.a. durchs Bereitstellen von Häuserfassaden für Street-Art aufzuwerten. Das kann auch zu mehr Identifikation im Quartier führen. In gleicher Weise engagiert man sich in Berlin oder Frankfurt. So etwas würde ich mir auch für Karlsruhe wünschen. Immerhin haben wir ja auch hier einige Wohnungsunternehmen mit beträchtlichem Bestand.
INKA: Haben Sie persönliche Kontakte geknüpft zur hiesigen Graffiti-Szene?
Feßler: Vor meinem Buch war ich da völlig unbedarft, mittlerweile bin ich mit ImThor (Fotos S. 74-77, 119, 121 u. 125) im Austausch. Ich hätte zu gerne auch das eine oder andere Werk aus dem Combo-Gelände in Hagsfeld verwendet, bekam corona-bedingt aber keinen Kontakt. Vielleicht gibt es ja noch eine Fortsetzung meines Buches. Denn es zeigt sich jetzt schon die Vergänglichkeit der Werke – einige Motive aus meinem Buch sind bereits nicht mehr vorhanden bzw. durch Neues ersetzt.
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