Spiel auf Zeit
Stadtleben // Artikel vom 27.04.2008
In rein bürokratischen Kategorien gedacht – und das hat das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe fraglos – ist ja noch gar nichts passiert.
Schließlich hat die Behörde Ende Februar "nur" dem Antrag der EnBW auf vorzeitigen Baubeginn stattgegeben. Das Genehmigungsverfahren für das geplante Kohlekraftwerk der EnBW ist dagegen noch gar nicht abgeschlossen. Alles halb so wild? Das RP will das Genehmigungsverfahren erst im April abschließen. Und dennoch hat es in gerade einmal sechs Tagen den Antrag der EnBW genehmigt – noch bevor die Ergebnisse aus dem Erörterungstermin und die Auswertung der zahlreichen Einwendungen überhaupt vorlagen.
Weshalb der Energiekonzern so aufs Tempo drückt, darüber waren sich die Gegner schnell einig: Nur wenn das Kraftwerk noch bis 2012 in Betrieb genommen werden kann, rechnet es sich auch. Denn nur dann bekommen Stromerzeuger wie die EnBW die notwendigen Emissionszertifikate noch kostenlos zugeteilt – alles, was über diesen Termin hinausgeht, ist für die Kraftwerksbetreiber ein Kalkulationsrisiko.
Doch just das Tempospiel der EnBW und die daraus resultierenden vollendeten Tatsachen eröffnen nun ihrerseits den Gegnern neue Chancen, so deren Kalkül. Jetzt, da die Baugenehmigung vorliege, könne auch juristisch darauf regiert und dagegen vorgegangen werden. "Es gibt Optionen und Chancen", meint beispielsweise BUND-Regionalgeschäftsführer Hartmut Weinrebe auf Anfrage; auch die Grünen prüfen derzeit juristische Schritte. Denn eine etwaige Auseinandersetzung vor Gericht kostet Zeit – Zeit, in der mit Blick auf die nächste Zertifikatsvergaberunde die wirtschaftliche Attraktivität des Kraftwerks sinken könnte. Die Chancen in einem Rechtsstreit?
"Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand", gibt sich Weinrebe fatalistisch. Auch die Bürgervereine der vermutlich am stärksten betroffenen Stadtteile haben die Flinte noch nicht ins Korn geworfen. "Die Entscheidung des RP für einen vorzeitigen Baubeginn hat uns natürlich überrascht, vor allem wegen der unverständlichen Eile, aber nicht blockiert", lässt beispielsweise der Knielinger Bürgerverein wissen.
Gemeinsam mit anderen Bürgervereinen im Karlsruher Westen, Umweltschutzverbänden, Karlsruher Kinderärzten und in Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative "Das bessere Müllkonzept – ohne Verbrennung" setzen die Knielinger nicht nur auf öffentlichkeitswirksame Aktionen, sondern ziehen ebenfalls rechtliche Schritte in Betracht.
Mit Blick auf EU-Recht behalten sie sich eine Normenkontrollklage vor und bereiten sogar eine Verfassungsklage vor, um, wie der zweite Vorsitzende Dr. Martin Ehinger auf Anfrage erklärt, "unser Recht auf körperliche Unversehrtheit einzuklagen". Zudem will der Bürgerverein Anträge für die Hauptversammlung der EnBW-Aktionäre Ende April vorbereiten. Hoffnung gibt den Gegnern neuerdings auch ein Blick rheinabwärts.
In Mainz hat sich der CDU-Kreisvorstand unlängst für ein Gaskraftwerk an Stelle eines geplanten Kohlekraftwerks ausgesprochen. Begründung: Mit der Entscheidung gegen das Kohlekraftwerk werde den berechtigten Sorgen und Bedenken der Menschen in der Region Rechnung getragen, hieß es aus Mainz: Gegen ein Kohlekraftwerk sprächen ökologische, gesundheitliche und wirtschaftliche Bedenken. Gegen den Genehmigungsantrag waren in Mainz rund 60.000 Einwendungen eingegangen. Denis Elbl
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