Wenn Funktion und Design zu einem Klassiker werden: Der Eiermann-Tisch E2
Stadtleben // Artikel vom 01.06.2021
Interview mit Peter Wieland von Toby O. Rink.
Vor ein paar Jahren entstand nahe meines Wohnsitzes ein architektonisches Objekt, an dem ich auch heute noch regelmäßig vorbeilaufe oder -fahre. Schon während der Bauphase wurde klar, dass hier ein Stück Architektur- und Designkultur entstehen wird. Das Unternehmen Adam Wieland, das heute durch den Sohn Peter Wieland geführt wird, vollführt mit dem Bau und Umzug seines Büros samt neuer Werk- und Wirkstätte einen stilvollen und symbolischen Einzug in die Egon-Eiermann-Allee in Karlsruhe. Welche/r ArchitektIn kennt nicht den Tisch-Klassiker E2, der mit seinem zeitlosen Design und seiner praktischen Handhabung inzwischen weltweit in zahlreichen Büros und Unternehmen den Alltag vieler Menschen bereichert? Umso mehr freuen wir uns, Peter Wieland, der die Arbeit seines Vaters Adam Wieland weiterentwickelt, als Interviewpartner für unser Online-Magazin „Gesellschaftsdesign“ mit im Boot zu haben.
Toby O. Rink: Was macht Ihr Unternehmen, und was macht es zu etwas Besonderem?
Peter Wieland: Mit einem Wort erklärt, machen wir Tische. Besser gesagt, einen Tisch: den E2. Ursprünglich als Schreibtisch entworfen, findet man ihn heute als Besprechungstisch, Esstisch, Stehtisch und Ausstellungstisch in Büros, Wohnzimmern und Klassenzimmern auf der ganzen Welt. Jeder E2 baut dabei immer auf dem gleichen Untergestell auf. Abhängig von der geplanten Nutzung, verändern sich nur dessen Maße sowie das Format der aufliegenden Tischplatte. Der Ursprung dieser Idee ist dabei ein echtes Stück Designgeschichte: 1953 entwarf der Architekt und Designer Egon Eiermann einen Tisch für seine Büroräume. Dieser „Eiermanntisch« hielt schon bald Einzug an der TH Karlsruhe, in der sowohl Eiermann als auch mein Vater, Adam Wieland, lehrten. 1965 entwickelte ihn mein Vater zum E2 weiter und machte ihn vielseitiger und zerlegbar. So ließ er sich nicht nur noch individueller nutzen: Man konnte ihn jetzt auch deutlich leichter transportieren. Und das viele Jahre bevor zerlegbare Möbel zur Alltagskost wurden! Unser Sortiment haben wir inzwischen um viele weitere Produkte ergänzt, die derselben Philosophie folgen: Beistelltische, Aufsteller und Regale, die nicht nur perfekt zum E2 passen, sondern genauso vielseitig und zerlegbar sind.
Rink: Was hat Sie dazu bewegt, das Werk Ihres Vaters Adam Wieland weiterzuführen?
Wieland: Von langer Hand geplant war das nicht. Als Kind und Jugendlicher war das Familienunternehmen meines Vaters immer präsent. Beruflich orientiert habe ich mich dann aber anders. Als die Frage nach einem Generationswechsel aufkam, arbeitete ich als Unternehmensberater im Bereich Nachhaltigkeit und Sozialverantwortung. Außerdem lebte ich schon seit über zehn Jahren in Norwegen. Unsere Familie hat sich dann ein Wochenende lang zurückgezogen und verschiedene Alternativen durchgespielt. Eine davon war, die Firma in der Familie zu behalten. Und ich dachte mir: Wieso sollte ich das, was ich anderen Unternehmen versuchte zu vermitteln, nicht auch im eigenen Unternehmen umsetzen? Diese Herausforderung nicht anzunehmen, hätte ich wahrscheinlich ein Leben lang bereut. Heute bin ich glücklich, den Schritt gegangen zu sein und das Werk meines Vaters weiterführen zu dürfen.
Rink: Wie denken Sie über langlebige Gebrauchsgüter für jedermann?
Wieland: Dass ein Produkt langlebig ist, sollte eigentlich außer Frage stehen. Dass dem nicht so ist, liegt wahrscheinlich an zwei Dingen: Am Missverständnis vieler Unternehmen, weniger zu verdienen, wenn ihre Produkte ewig halten. Und am Verhalten von Konsumenten, die immer mehr kaufen, dafür aber weniger ausgeben wollen. Ein T-Shirt wird dann irgendwann so billig, dass es sich nicht mehr lohnt, es zu waschen. Man wirft es weg und kauft sich ein neues. Für die Umwelt und für uns Menschen, die ein Teil dieser Umwelt sind, ist das eine Katastrophe. Aber der Trend geht zum Glück in die richtige Richtung: Wir kaufen weniger, schenken ihm aber mehr Wertschätzung. Wir erfreuen uns wieder länger an Gebrauchsgütern und achten beim nächsten Kauf wieder mehr auf ihre Langlebigkeit. Unternehmen, die das bedienen wollen und können, sind dann hoffentlich ebenso langlebig wie ihre Produkte.
Rink: Welche Gesellschaft wünschen Sie sich, und was kann Ihr Produkt dazu beitragen?
Wieland: Eine, die langfristig denkt und verantwortungsvoll handelt. Das Konzept der Nachhaltigkeit entstand vor über 300 Jahren in der Forstwirtschaft: Fälle nur so viele Bäume, wie auch nachwachsen können. Denken wir in Generationen, gibt es dazu keine Alternative. Und wollen wir dieses Konzept in die Praxis umsetzen, ist jeder Einzelne gefragt, bewusste Entscheidungen zu treffen. Gefährdet mein Handeln die Zukunft und die Möglichkeiten meiner Kinder? Wenn ja, dann ändere es. Für unser Produkt bedeutet das, auch weiterhin an vielen Stellschrauben zu drehen: Unser Ziel der Plastikfreiheit haben wir fast erreicht. Transportwege verkürzen wir mit Lieferanten aus der Umgebung. Und natürlich kommt auch hier das Thema Langlebigkeit zum Tragen: Zeitloses Design, eine hohe Verarbeitungsqualität und die Möglichkeit, Ersatzteile auch nach 50 Jahren noch nachbestellen zu können, machen den E2 zu einem nachhaltigen Produkt, an dem man lange Freude hat. Wenn dann sogar Enkelkinder früherer Kunden zu uns kommen, um auch so einen Tisch zu kaufen wie Oma und Opa ihn haben, wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Rink: Welche Wünsche oder welche Visionen haben Sie für die Zukunft?
Wieland: Momentan wünsche ich uns allen, dass wir bald wieder ein „normales“ Leben führen können – geschäftlich wie privat. Es ist naiv zu glauben, dass es so sein wird, wie es vor Covid-19 war. Aber ich wünsche mir, dass wir die Möglichkeiten nutzen, das neue „Normal“ zu gestalten. In der Vergangenheit gingen manche Entwicklungen in die falsche Richtung oder hatten einen zu monetären Fokus. Durch Covid-19 und die plötzlich auftretenden Einschränkungen für Transport und Reisen waren einige gezwungen, umzudenken. Auch wir haben Auswirkungen gespürt, obwohl wir schon lange auf Zulieferer aus der Region bauen. Aber die Wirtschaft ist viel internationaler, als man denkt und kleine Störungen haben oft große Ringwirkungen. Mit unseren Produkten hatten wir dabei noch Glück: Den Rückgang an Geschäftskunden konnten wir durch einen Zuwachs an Kunden ausgleichen, die einen Schreibtisch für zu Hause brauchten. Andere Unternehmen und Branchen hat es hingegen hart getroffen und man darf nicht glauben, dass in ein paar Monaten alles wieder ist, wie es vor zwei Jahren war. Dennoch bin ich Optimist und hoffe, dass wir in dieser Zeit gelernt haben, was uns wichtig ist, und nicht mehr in alle alten Verhaltensmuster zurückfallen – nur, weil wir es wieder könnten.
Marke Mensch Natur
Die Karlsruher „Agentur für Gesellschaftsdesign“ von Toby O. Rink erstellt als Mitgestalter zwischen dem ganz normalen und natürlichen Leben und dem digitalen Wandel der Zeit sinnvolles Design für Produkte und Leistungen, die Haltung zeigen und einen Betrag für die Gesellschaft leisten. Ihre Profession ist das praktische und strategische Gestalten von Unternehmen und deren Marken und Produkten.
www.marke-mensch-natur.de
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