Zeitlupe
Stadtleben // Artikel vom 23.09.2012
Während selbstgestalterische Lebensorganisationsformen aller Art boomen, ist das Interesse an aktiver politischer Gestaltung vor Ort in Karlsruhe extrem mäßig ausgeprägt.
Das mag an der 40 Jahre langen CDU-Dominanz liegen, an der hohen Einwohner-Fluktuation oder einfach auch daran, dass mit dem Pro-U-Strab-Entscheid gegen fast die Hälfte der Einwohnerschaft entschieden wurde und sich viele der Engagiertesten, zermürbt von Beteiligungshearings und Baustellen-Marketing-Gefasel, abgewandt haben – und statt in punkto Lokalpolitik knatterkonservativen Medien inzwischen SZ, FAZ, taz oder das Internet bevorzugen. Damit wichtige Themen nicht in der Dunkelkammer einer Stadtviertel-App verschwinden, kommentieren wir ab sofort in einer kleinen Glosse die Essentials der vergangen Wochen. Infomails an redaktion@inka-magazin.de sind jederzeit willkommen!
Schräg ging es zu, als BM Mergen plötzlich und wiederholt „Gute“ im Haushalt entdeckte: statt 80 Millionen minus auf einmal 90 Millionen plus! Anstatt diese Steuergelder z.B. für die Sanierung des Städtischen Klinikums, die Mehrkosten der U-Strab oder des Kriegsstraßen-Umbaus zurückzulegen, hagelte es gleich abenteuerliche Supervorschläge. Neun Millionen soll bereits der Umbau des Rheinparks kosten, 18 Millionen könnte man noch in Brücken über den Yacht- und Ölhafen stecken. Der Rheinhafen würde so für die vorbeifahrenden Binnenschiffer zu einem völlig neuen Blick-Erlebnis mutieren. Und man könnte drüberradeln – ist immerhin nicht so lebensgefährlich wie in der City! Unfallursache Nummer eins bei den Radunfällen in Karlsruhe ist laut Presseamt nicht der völlig kollabierte Verkehr mit entsprechend überhitzten Verkehrsteilnehmern aller Art, sondern die „Nichtachtung oder falsche Deutung von Rotlicht.“ Diese Formulierung ist fast so lustig wie „Karlsruhe, die sympathischste Stadt Deutschlands“.
Das Sommerlochthema Nr. 1 drehte sich um den leidigen Stadt-Claim: Ein Drittel der Einsender hatte sich beim Kreativwettbewerb der BNN für „Karlsruhe – breit gefächert“ ausgesprochen und über „Baden in Ideen“ gelästert. „Karlsruhe – die sympathischste Stadt Deutschlands“ finden wir eindeutig besser. Er widerspricht zwar den unsympathischen Zuständen in der Stadt aufgrund des katastrophalen Baustellenhandlings, aber Reizpunkte schüren ja die Kreativität. Wobei: „Karlsruhe – die sympathische Brückenstadt“ ist auch nicht schlecht. Wegen Brücke zum Elsass, Rheinbrücke und Hafenbrücken. Übrigens: 1.000 Leute in jede Richtung queren derzeit den Rhein mit der Straba. Täglich. Da hatte ja die Linie 5 mehr Fahrgäste!
Apropos wenig: Anscheinend schließt demnächst auch das Karlsruher Traditionshaus Spielwaren Döring. Ausgerechnet. War doch der Geschäftsführer des Hauses einer der heftigsten U-Strab-Befürworter der City. Hat aber sicher nix miteinander zu tun.
Stadtmarketing-Chef Käthler hat es auch nicht leicht. Er hat ein anderes Karlsruher Reizwort unterschätzt: das Wörtchen „Pavillon“. Seitdem sich der KVV-König aus Österreich und heimliche OB der Stadt am Ettlinger Tor für eine knappe Million einen Pavillon genehmigte, ist das schöne Wort eigentlich verboten. Ein „multifunktionaler Pavillon“ soll nun aber zum Stadtgeburtstag 2015 im Schlossgarten gebaut werden. Ausgerechnet sonst eher Kulturkonservative gehen gegen die Entscheidung des Gemeinderats auf die Barrikaden und verweisen auf den Festplatz. Der OB aber sieht in dieser Entscheidung ein „Zeichen gelebter Demokratie“. Er sollte besser die letzten Monate seiner Amtszeit dafür aufwenden, die Auswirkungen der Baustellen menschenverträglich hinzumoderieren.
Wie schwierig auch auf Kulturebene ein vernunftbezogenes Austarieren von Möglichkeiten ist, bezeugt ganz fatal die Diskussion um den Umzug des Badischen Konservatoriums in die Gartenhalle. Satte 300.000 Euro will man für eine Machbarkeitsstudie ausgeben, statt grundsätzlich zu hinterfragen, ob es pädagogisch sinnvoll ist, Kinder und Jugendliche in Containern ohne Tageslicht für Musik zu begeistern...
Zusammenstellung: Roger Waltz / Karikaturen: Dieter Huthmacher
Eduard Peltzer, Inhaber von Spielwaren Döring, der sein Haus im März nächsten Jahres schließen wird, legte in einem längeren Telefongespräch mit Roger Waltz dar, dass er auch als Mitglied im Lenkungsausschuss des Kooperationsmarketings und auch als Vorstand der CiK stets eine kritische Distanz zur U-Strab gewahrt habe. So seien zum Beispiel die Entschädigungsmodelle für Einzelhändler in der Innenstadt mit ihm gemeinsam entwickelt worden.
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