Zwischen Rotstift & Realität: Haushaltsberatungen 2026/27
Stadtleben // Artikel vom 01.08.2025
Was passiert, wenn Haushaltszahlen zur Realität werden?
Was lange abstrakt klang, hat nun Namen: Kultureinrichtungen, soziale Träger und ein Schwimmbad. Orte, Projekte, Menschen. Zwei laufende Petitionen und eine Kundgebung zeigen, wie sehr die geplanten Kürzungen die Stadtgesellschaft bewegen. Bereits seit Wochen wehren sich freie Kulturträger gegen den angekündigten Sparkurs. Mehr als 7.000 Menschen unterzeichneten eine Petition für den Erhalt der vielfältigen Karlsruher Kulturszene. Gefordert wird ein Stopp der geplanten Kürzungen, die bis zu zehn Prozent betragen könnten – bei einem ohnehin schmalen Fördervolumen von 1,6 Mio. Euro für die gesamte freie Szene. Kulturorte wie das Kohi, die Kinemathek, das Sandkorn oder die Alte Hackerei warnen: Schon kleine Einschnitte könnten für Einzelne das Aus bedeuten!
Nun geraten auch andere Lebensbereiche in den Fokus: Besonders laut ist die Debatte um das Rheinstrandbad Rappenwört, das wegen der Einsparvorgaben für die Bäder in den Saisons 2026/27 wohl geschlossen bleibt. Über 7.000 Menschen haben binnen Kurzem eine Petition zum Erhalt des Bades unterschrieben. Für viele ist es nicht nur ein Ort zum Schwimmen, sondern ein öffentlicher Raum mit sozialer Funktion – landschaftlich einmalig, niedrigschwellig zugänglich, generationsübergreifend genutzt. Der Protest gegen den Sparkurs manifestierte sich in einer Demo. Über 300 Menschen folgten am 22.7. dem Aufruf des Bündnisses „Solidarische Stadt Karlsruhe“. Getragen von Kultur-, Sozial- und Umweltinitiativen machten sie deutlich: Die Kürzungen treffen die Institutionen, aber auch Lebensqualität, Teilhabe, Infrastruktur.
Die Stadt plant, im Doppelhaushalt 2026/27 jährlich 80 Mio. Euro einzusparen. Betroffen sind vor allem die „Freiwilligen Leistungen“ – also Kulturförderung, soziale Projekte, Klimaschutz, Schwimmbäder. Dies macht aber den Unterschied zwischen einer funktionalen und einer lebenswerten Stadt. Der Kulturring warnt: Von den geplanten Kürzungen wären nicht nur einzelne Bühnen betroffen, sondern ein Netzwerk von Akteuren, das jährlich rund 400.000 Besucher erreicht. Zugleich steigen Betriebskosten und Personalbedarf. Viele arbeiten am Limit, oft auf Basis von Selbstausbeutung. Über 400.000 Euro sind es auch, die die freie Kultur am Schlachthof oder im Theaterhaus an Miete wieder zurück an die Stadt überweist. Die drei Einrichtungen auf dem Schlachthof wenden 75 Prozent ihrer städtischen Fördergelder allein für die städtische Miete auf. Über eine Indexmiete lässt sich die Stadt auch größtenteils die eigene Kostensteigerung von der freien Kultur tragen.
Für viele ist der Sparkurs nicht nur eine Folge knapper Kassen, sondern eine Frage der Prioritäten. Während Millionen in Großprojekte wie die „World Games“ 2029, die Turmbergbahn oder die U-Strab fließen, werden soziale und kulturelle Orte auf ihre „Wirtschaftlichkeit“ geprüft. Der Protest dagegen ist mehr als Symbolpolitik – er verweist auf ein strukturelles Ungleichgewicht. Karlsruhe steht mit diesem Konflikt nicht allein. Doch hier wird deutlich, was auf dem Spiel steht: eine Stadt, die sich nicht nur über Asphalt und Beton definiert. -fk
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