Fünf

Porträt
Fünf

Nein, das ist kein PR-Text, eher eine Liebeserklärung an ein Restaurant in der Nordstadt im Mikado, das Bestandteil der Mika-Genossenschaft ist, und deren Betreiber. Das Restaurant Fünf ist ein echtes Unikat – mir fällt nichts Vergleichbares ein. Es ist die einzige Karlsruher Location, in der man ganz normal zu moderaten Preisen frisch und regional gekocht gut essen kann. Und das in freundlicher Atmosphäre und den Sommer über im Idealfall im wunderbaren Biergarten.

Im Corona-Sommer 2020 war die Fünf quasi mein Kurrestaurant. Sprich: Auch auf Unverträglichkeiten wird so gut es geht Rücksicht genommen. Längst gibt’s auch eine „Slow Food“-Auszeichnung – aber allein deswegen kommt eher selten jemand vorbei. Im Jahr 2000 machten sich Ursel Hay und Frank Kemmerling, die heute als Organisatorin und Gastgeberin und als Küchenchef das 20-jährige Bestehen ihres „Restaurant & More“-Projekts Fünf feiern können, auf die Suche nach einer Location, in der sie ihren Traum von kooperativem, selbstbestimmten, genossenschaftlichem Wirken ausleben können. Jahrelang hatte man sich umgeschaut nach Wohn- und Arbeitsgemeinschaften; selbst das legendäre Ex im Berliner Mehringhof wurde dem ursprünglich aus der Düsseldorfer Alternativszene stammenden Fünfer-Team damals angeboten.

Sie betrieben dort eine Szenekneipe mit Kulturangebot, einen „Freakmagneten“, wie Kemmerling es so schön formuliert. Schließlich – man war längst etwas ratlos nach Düsseldorf zurückgekehrt – kam der Anruf der damals noch im Aufbau befindlichen Mika-Wohnungsgenossenschaft, dass diese auch das Kopfgebäude des Konversionsensembles erwerben könne und damit ein Go. Nach über zehn Monaten Innenaus- und Umbau pachteten sie als Mitglied der Mika von dieser die Restauranträume mit Biergarten neben dem Kulturhaus Mikado und unter der Amerikanischen Bibliothek. Ursprünglich suchte man zu fünft – daher der Name. Übrig bleiben, nachdem man sich angesichts der neuen Realitäten teils und freundschaftlich auseinanderdividiert hatte, schließlich Ursel und Frank.

„Als wir nach Karlsruhe kamen, hatte gerade die Schlachthof-Kneipe mit Plüschi neu aufgemacht. Aber in der Nordstadt gab es nichts. Wir brachten ja selbst kein Publikum mit in eine für uns neue Stadt. Die Frage war: Wer kommt da eigentlich außer den Mika-Leuten? Es waren zunächst Gäste aus der Nachbarschaft“, erzählt Kemmerling. „Ich komme ursprünglich aus der Volxküchen-Bewegung. Als anfangs unsere Köchin absprang, begann ich mit drei Rezepten, die ich immer wieder abgewandelt habe. Hugi Hugel stieß hinzu, er ist ja Künstler und gelernter Koch. Das war echte Pionierarbeit! Die Küche war ein wichtiger Teil damals, aber es gab sehr viel mehr normalen Kneipenbetrieb plus Kulturveranstaltungen. Dann kam die Mehrwertsteuererhöhung, es folgte das Rauchverbot. Das hat uns erst kalte Füße beschert – wir dachten, der Kneipenbetrieb fliegt uns um die Ohren. Wir mussten nun das Restaurantprofil schärfen. 2008 gab es dann Esstische im Loungebereich. Damals sind viele wichtige Stammgäste selten oder gar nicht mehr gekommen. Das war natürlich zunächst hart. Aber letztlich hat es uns in unserer Entwicklung weitergebracht. Wir konnten einen Koch einstellen. Dirk Onescheit von der Kaldaune hatte ihn empfohlen, er war in Zürich und Luzern in Sterneläden unterwegs und hatte seine Ausbildung im Bayerischen Hof in München absolviert“, erinnert sich Kemmerling. Letztlich hat man sich autonom alles beigebracht – selbst mitgebracht hat man die Gastfreundlichkeit. „Frank ist ein sehr guter Selbstoptimierer und hat unheimlich viel von ihm gelernt. Und der Koch von unserem Laden, wie man anders miteinander umgeht. Er stand stets im Drill in der Küche“, sagt Hay.

„Wir versuchen immer, moderat etwas zu bewegen, ohne die Gäste gleich zu überfordern. Wir bieten, was wir können: Qualität auf die Teller zu bekommen, es gibt keine Schnäppchen oder Modetrends.“ Regelmäßig frische regionale und saisonale Küche mit Zutaten, die keine ewig weiten Transportwege hinter sich haben, kurz: Gute Gerichte anzubieten – das ist auch von den Lieferanten her nicht ganz so easy. Ich zitiere einfach mal mit Preisen die Wochenkarte vom 24.1.2023, damit man sich selbst ein Bild davon machen kann, was Frank Kemmerling und Ursel Hay so alles Schönes anrichten:

Birnen-Selleriesuppe • Roquefortschaum (6,90 €)
Rote-Bete-Carpaccio • Belugalinsen • Birnen-Tabouleh (8,50 €)
Haselnuss-Sellerie-Schnitzel • Mediterraner Wurzel-Kartoffelstampf • Rotweinschalotten (19,50 €)
Lachsforelle • Lauch-Zitronensauce • Basmati- und Wildreis (21,50 €)
Kalbsinvoltini • Rösti • Pilz-Gemüse-Pfanne (23 €)
Beerensorbet mit Langpfeffer • Nougatschaum (6,50 €)
Schoko-Kirsch-Tiramisu (5,90 €)

Bei dieser wechselnden Wochenkarte kann man gerne öfters kommen! Ansonsten werden Regulars serviert, die nirgends fehlen dürfen: frischer gemischter Salat mit hausgemachten Dressings, im Sommer u.a. Balsamico und Honig, im Winter u.a. Balsamico und Senf; Tapas aller Art von Ziegenkäse über Oliven bis zu mariniertem Gemüse oder Tintenfischsalat; Pasta, Saltimbocca oder verschiedene Kindergerichte ergänzen die Karte. „Wir sind heute schon etabliert, aber es gibt immer noch viele, die noch nie von uns gehört haben – der ewige Geheimtipp. Kriterien, die zählen, sind aber Qualität und Kontinuität. Wir sind wiedererkennbar. Und die geblieben, die wir waren“, fasst Ursel Hay am Ende eines schönen Gesprächsabends zusammen. „Wir wollten in ein Kollektiv, eine Gemeinschaft, gleichberechtigt, selbstständig. Letzteres ist übriggeblieben. Was wir anders machen: Fast alle MitarbeiterInnen sind fest angestellt. Daher haben wir auch niemanden während Corona verloren.“ -rw


Kontakt

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76149 Karlsruhe

Di-Sa 18-24 Uhr
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www.fuenf.de


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