Monika Lustig, Literarische Übersetzerin & Verlegerin

Porträt
Monika Lustig

„Die Kehrseite der Dinge ans Licht holen.“ Das Aufklärerische klingt bereits im Namen von Monika Lustigs 2019 gegründetem Ein-Frau-Verlag an: Edition Converso. Unter dem Dreizack der Meeresgöttin aus der griechischen Mythologie vereint die gebürtige Karlsruherin ihre „Mediterranen Sprachwelten“ – sprich Literaturen aus allen Regionen rings ums Mittelmeer, Adria inklusive; sie verschreibt sich „Widerstand und Aufklärung“ sowie dem „Aufbrechen stereotypisch, rassistisch geprägter Denkmuster“. „Amphitrite war die eigentliche Herrscherin über die Meere und den Fischfang, nicht Poseidon oder Neptun. Der machtgierige Mann hat ihr das Zepter trickreich qua Heirat entwendet“, erklärt Lustig ihr Verlagslogo, das sie auf dem Mannheimer Wasserturm entdeckt hat. „Amphitrite, übrigens ebenso die Schutzgöttin der Flüchtenden, unterstreicht durchaus meinen feministischen Anspruch, hat aber nichts mit der heutigen Genderdebatte zu tun. Somit wäre es vielleicht konsequenter gewesen, sich auf Frauenliteratur zu beschränken, das würde allerdings die Themen, Stimmen, Sprachen und letztendlich auch mich nicht abbilden.“ Ob Belletristik, erzählendes Sachbuch oder Lyrik – all das wird von ihr geborgen, übersetzt und in ästhetischer Gestaltung veröffentlicht.

Für diese verlegerische Arbeit, das kulturelle Engagement und das innovative Programm ist der noch junge Converso Verlag 2021 mit dem „Deutschen Verlagspreis“ sowie dem „Förderpreis der Kurt Wolff Stiftung“ ausgezeichnet worden. Wer Monika Lustigs Vita kennt, weiß, dass die ausgeprägte Italienorientierung des Programms von einem halben Leben am Stiefel herrührt – darunter alle drei großen Inseln: Elba, Sardinien und Sizilien. „Treibender Faktor war gewiss meine ewige Nestsuche und eine unersättliche Neugier“, resümiert sie heute ihre „tollkühne Tat“ des Jahres 1979, als Lustig nach dem Studium der Philosophie und Germanistik an der Heidelberger Ruprecht-Karl-Universität emigriert statt promoviert. „Gerade noch in Hegelscher Begrifflichkeit und soziolinguistischen Kategorien zu Hause, musste ich mit einem Basic-Italienisch, das doch so wenig mit Latein zu tun hatte, in einer komplexen Welt mit unbekannten Regeln und Mentalitäten zurechtfinden.“

Doch die Tedesca schlägt sich durch, findet eine Residenza, lernt ihren sardischen Ehemann kennen, wird Landwirtin auf Sardinien im Dorf der Installationskünstlerin und Malerin Maria Lai, wo sie ihren Sohn Gabriele zur Welt bringt. Mitte der 80er unterrichtet sie in Modena, Portoferraio und Florenz an Gymnasien Deutsch als Fremdsprache, gibt Nachhilfe und gründet die erste elbanische Sprachschule Studio Fiore Blu. Das „immerdar schlechte Gewissen über die vertane Dissertation“ sollte Jahrzehnte später eine kleine Absolution erfahren, als ihr der bald 100-jährige Hans-Georg Gadamer beschwichtigend mit auf den weiteren Lebensweg gibt: „Dass der Ruf, der von Italien ausging, auf Sie viel stärker wirkte und verlockender war als akademische Mühen, ist doch ganz natürlich!“ Zurück zur Literatur, ihrer „großen Liebhaberei im wörtlichen Sinne“, findet Lustig in den 90ern, als sie mit dem literarischen Übersetzen beginnt; zeitgleich versucht sie sich als Literaturagentin zwischen Italien und Deutschland: Mit dem unter I Millenari pseudonym verfassten „Via col vento in Vaticano“ („Wir klagen an – 20 römische Prälaten über die dunklen Seiten des Vatikans“) landet sie einen Welterfolg. Das erste Übersetzungsbuch ist dann eines ins Italienische: Mario Krebs’ „Ulrike Meinhof: Ein Leben im Widerspruch“. Es folgen zahlreiche klingende Namen von Camilleri und De Carlo über Lucarelli, Agnello Hornby, Levi und Fois bis Sciascia.

Zeitweise spezialisiert aufs politische Fach folgt der nächste Meilenstein: Als Auftragsarbeit schreibt sie auf dem Höhepunkt des „Cosa Nostra“-Terrors nach der Ermordung der Richter Falcone und Borsellino die „Biografie eines Mafiajägers“ über Palermos ewigen Bürgermeister Leoluca Orlando. Aber ebenso wie dessen Amtszeit vergangenes Jahr ein freiwilliges Ende nahm, kehrt Monika Lustig 2000 in ihre Geburtsstadt zurück – „eine weitere Tollkühnheit“, wie sie es nennt. Wer das Warum erfahren will, muss wohl auf die Fertigstellung ihres Buches „Die wankelmütige Heimkehrerin“ warten... Zuhause arbeitet sie weiter als literarische Übersetzerin, ruft zwei Karlsruher Veranstaltungsreihen ins Leben: 2013 „Südwärts um die ganze Welt – Literatur. Gespräche. Philosophisches“ an unterschiedlichen Locations vom Café Rih übers Architekturbüro Rossmann und die Kunsthalle bis hin zum Gartensaal des Schlosses. Die in einem Altenpflegeheim stattfindende Reihe „Liebe öffnet Tor und Tür“ widmet sie ihrem niederländischen Ehemann Jeff, den sie nach der Rückkehr in Karlsruhe kennenlernt und 2019 schwer dement gehen lassen muss. „Die fünf Jahre Kulturveranstaltungen und meine Jahrzehnte als literarische Übersetzerin waren wichtige Bausteine für die Verlagsgründung – eine organische Fortführung meiner bisherigen Leidenschaften, auch wenn ich meine kauffrauliche Unerfahrenheit, mein Nicht-in-Zahlen-Denken, meine kreative Weltsicht teils teuer und bar bezahlt habe.“

Von Anfang an holt sie auch die arabisch-islamische Welt ins Converso-Boot; mit Stefan Weidners inzwischen in zweiter Auflage erschienenem Longseller „1001 Buch. Die Literaturen des Orients“ gelingt ihr ein erster Verkaufserfolg. 2022 steht Valerio Curcios „Der Torschützenkönig ist unter die Dichter gegangen. Fußball nach Pier Paolo Pasolini“ auf der Shortlist der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur zum „Fußballbuch des Jahres“; Pasolinis „Jugend im Faschismus“ ist das jüngste Thema in der Converso-Reihe „Alltagshelden“. Unter den Erscheinungen findet sich mit Katerina Schinás „Die Nadeln des Aufstands“ ebenso „Eine Kulturgeschichte des Strickens“ wie auch der erste Band einer Krimireihe (Fabio Stassi – „Ich töte wen ich will“), Ayşegül Çeliks „Roman in Erzählungen“ „Papierschiffchen in der Wüste“ oder das kollektive, vielsprachige Lyrikprojekt „The Bird Is Singing On The Cell Phone Antenna“. Zukunftsgedanken? „Stolz bin ich in der Gegenwart, die immer in die Zukunft strahlt, das schwierigste und bedeutungsträchtigste Buch von Leonardo Sciascia übersetzt zu haben: ‚Die Affaire Moro. Ein Roman‘ erscheint nach ‚Ein Sizilianer von festen Prinzipien‘ (und dem dritten wahren Übersetzungsvergnügen ‚Das ägyptische Konzil‘ für die Andere Bibliothek 2016) ebenfalls in meinen Verlag. Möge eine neue Zeit der Aufklärung – Illuminazione – anbrechen!“ -pat


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