Thomas Rebel, Fotograf, Grafikdesigner & Computerkünstler

Porträt
Thomas Rebel

Wir kennen das aus Kultwestern: Der gereifte Held setzt sich irgendwo auf dem Land zur Ruhe, und kaum einer der braven Dörfler ahnt, wer da nebenan auf der Veranda das Streichholz an der Stiefelsohle anzündet… Pensioniert wurde Thomas Rebel eigentlich nie, im Gegenteil: Er ist so ziemlich das Inbild des rasenden Reporters, lange Jahre in Begleitung seines Hundeassistenten Hedges, wohnt auch nicht in der Pampa, sondern am trubeligen Brettener Marktplatz. Und erfreut Stadt und Erdkreis mit einer sagenhaften Vielfalt fotografischer Erzeugnisse – von der blauflügeligen Ödlandschrecke, die er auf einem Blütenblatt entdeckt, bis zu Spektakelbildern vom Brettener Spätmittelalterfest „Peter-und-Paul.“ Rebel hat Bücher veröffentlicht, steht als Stadtrat seinen Mann, darf nach Sauter und Feigenbutz als einer der wichtigsten Chronisten für den Kraichgau bezeichnet werden.

Hinzu kommt jede Menge Food- und Architekturfotografie… und immer wieder Porträts: allesamt gekennzeichnet von diesem unverwechselbaren Rebel-Blick. Tausende Fotos wurden in den BNN und anderen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht; wenn das mal alles fürs Museum katalogisiert werden soll, hat jemand richtig was zu tun! Das ist alles ganz toll und sollte auch entsprechend honoriert werden, wird es natürlich nicht, es sei denn, man kann von der luftigen Liebe der Fans leben, was freilich auch nicht geht. Aber – und da sind wir wieder beim Anfang – es lebt hier ein Künstler unter uns, für den das Gütesiegel „Pionier“ deutlich zu bescheiden gewählt wäre.

Alle kennen wohl die Geschichte von der ersten Mail, die am 2.8.84 an der Karlsruher Uni eintrifft; dass zu dieser Zeit weitere epochale Neuerungen auf dem Gebiet der EDV just in derselben Stadt ersonnen und umgesetzt werden, ist leider in Vergessenheit geraten. Ein Protagonist der bahnbrechenden Entwicklungen: Tom Rebel, seinerzeit Nachwuchswissenschaftler des Landes Ba-Wü für digitale Bildbearbeitung. Wir kapieren das alles noch nicht, weil uns Computertechnik immer noch neu vorkommt und nicht als Fall für Historiker. Gleichwohl hat auch hier die Geschichtsschreibung längst eingesetzt; und das KIT kommt langsam auf den Trichter, dass ein eminenter Zeitzeuge zu befragen ist. „Mit ’ner Maus mach ich nix!“, heißt es seitens der Kollegen Grafikdesigner, als Rebel 1986 in Wolfgang Schnells Werbeagentur Compart in Durlach anfängt. Wochenlang wird nach einem gesucht, der sich das neue Medium zutraut. „Alles war noch unfassbar teuer“, erinnert sich der erste Mausbeweger: 100.000 DM kostet so ein Computer, „groß wie ein L-förmiger Schreibtisch, mit einem Bakelit-Telefon in der Mitte…“ Ursprünglich stammt die innovative Technologie – wie fast immer – aus dem Militär. Legendär: Aus einer 3D-Reaktor-Visualisierung kreiert er eine hübsche Weihnachtskarte. Die Begeisterung für seine Dias ist groß, jedoch: Bis zu acht Stunden stecken die Daten in der Kamera. Das wiederum wirbelte die Kalkulation des Stuttgarter Kohlhammer Verlags durcheinander, der ihn dann bald darauf im neu gegründeten Unternehmen Data-Images verpflichtet. Was nicht vergessen werden darf: Von Anfang an nutzt Rebel die neue Technik, um Kunst zu schaffen. Computerkunst! Wenn man seine Werke betrachtet, mittlerweile fast 40 Jahre Praxis, kommt einem vieles, was im ZKM so zu sehen ist, ein bisschen wie Bastelnachmittag vor…

Seine unglaubliche Virtuosität in Farb- und Formgebung fasziniert auf den ersten Blick. 2017, als 1250 Jahre Stadt Bretten und 500 Jahre Reformation gemeinsam gefeiert werden, prangen computergenerierte Porträts von Melanchthon und Luther auf 3.500 Quadratmetern Fläche an den Kirchen der Stadt. Hingerissen von der Präsentation, beauftragt die Stadt Solingen den Medienrevolutionär mit dem Banner für die Lutherkirche. All dies gedeiht auf solidestem Fundament. Bei Baselitz und Mike Sandle hat Rebel an der Karlsruher Kunstakademie Bildhauerei und Zeichnen studiert, in Pforzheim seinen Diplom-Industriedesigner gemacht. Es fließt alles zusammen, als er für „Sport im Dritten“ die erste Computeranimation generiert, schließlich für zehn Sendeanstalten arbeitet. Das einzige Problem: Mit seinen Arbeiten ist er der Digitalisierung so weit voraus, dass nur wenige Spezialisten verstehen, welche Potenziale hier liegen. Bei der ersten „Multimediale“ 1993 ist Thomas Rebel neben Jeffrey Shaw der Hauptdarsteller – und kann dennoch niemals davon leben. Als er mit seinem Team in Murnau die erste Fassung von „Jurassic Park“ begutachtet, seufzen die Avantgardisten: „Hätten sie die 90 Mio. Dollar mal lieber uns gegeben!“

Als einer der ersten Menschen überhaupt zieht Rebel im Silicon Valley eine Virtual-Reality-Brille auf seinen Kopf, ein Kollege unter Kollegen. Sein Wissen um Architektur ermöglicht es ihm, für die Neugestaltung des Anhalter Bahnhofs in Berlin ein fortschrittliches 3D-Model zu erstellen. Und heute? Ein aktueller Auftrag gilt seinem fotografischen Genie. 2025 ist der Bauernkrieg ein halbes Jahrtausend her; für die Thüringer Landesausstellung hat Rebel über 2.000 Fotos geschossen, mit Gewandeten aus Bretten im fränkischen Freilandmuseumsdorf Bad Windsheim. Das werden großformatige Werke, prominent präsentiert. Aber wäre es nicht längst Zeit, eine Retrospektive der Rebel’schen Computerkunst zu Hause zu organisieren? Hallo Baden-Württemberg? Wie steht’s, Bretten und Karlsruhe? Ihr habt eine Bringschuld gegenüber diesem Mann. Wie wär’s, wenn ihr mal anfangt sie einzulösen? Es wird Zeit. Höchste Zeit! -jh


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