INKA Stadtmagazin #184

Inka Ausgaben // Artikel vom 01.07.2024

INKA Stadtmagazin #184

Bisschen viel Wasser im System angesichts der EM-Euphorie und den unzähligen Open-Air-Events und Festivals, um die man bangen muss.

Je mehr der Planet aufgeheizt ist, desto mehr Wasser bildet sich, das allerorten unkontrolliert runterkommt – nur dort nicht, wo es die Ärmsten der Armen brauchen. Ja, ich weiß, 2018 war der Juni auch so nass und El Nino und und und... Wer also auch in Zukunft darauf hofft, im Sommer draußen sitzen zu können, kann unbesorgt Rechtsextreme wählen, für die ja Klimaschutz der Antichrist ist. Die beispiellosen Spitzel- und Bestechungsskandale um ihre Spitzenkandidaten prallten an den Wählern komplett ab. Fast 25 Prozent wählten bei der Europawahl (inkl. BSW) ultrarechte Parteien, im Osten kommen BSW und AFD zusammen auf über 40 Prozent. Richtig bestürzend aber ist die komplette Abkopplung von realen Sachverhalten wie Bestechung und Käuflichkeit, China-Spionage oder Russen-PR von den Wahlergebnissen. Wie auch bei Trump.

Während also die Europawahl nicht nur in Deutschland von einem weiteren Erstarken rechtsextremistischer Parteien gezeichnet war, sind die Verhältnisse bei der Kommunalwahl zumindest in den Ba-Wü-Großstädten mit leichten Verschiebungen nahezu unverändert. Die Grünen behaupteten sich mit Verlusten (in Karlsruhe 4,5 Prozent und drei Sitze weniger), die SPD wurde auch lokal weitergeschreddert und hat nun mit sechs Sitzen exakt doppelt so viele wie die Newcomer von Volt, KAL oder Die Linke. Die beiden letztgenannten erhielten ihren Fraktionsstatus trotz sehr engagierter Gemeinderatsarbeit erst auf den letzten Auszählungsmetern.

Auffällig: Keiner der Kulturbewerber wie Bernd Belschner oder Hendrik van Ryk schaffte es in den Gemeinderat, die Kulturexpertise dort hat massiv gelitten. Die AfD steigerte sich auch hier auf fünf Sitze. Warum im Lokalen engagierte Arbeit nicht belohnt wird, ist nur damit zu erklären, dass die meisten Wähler einfach nicht mitbekommen, wer sich wo wie engagiert, weil sie nicht mitverfolgen, was lokal los ist.

Bekommen sie nicht mit, was los ist, weil es sie nicht interessiert oder interessiert es sie nicht, weil sie es nicht mitbekommen? Nun – hier gibt es zwar eine Lokalpresse, allerdings eine mit faktischem Printmonopol von Karlsruhe bis Bühl. Im Osten gibt es für die von westdeutschen Verlegern betriebenen Tageszeitungen Mantelredaktionen für ganze Bundesländer, die lokalpolitischen Gegebenheiten werden im Web verhandelt. Dass sich dort niemand wiederfindet, liegt also auch am Fehlen eines flächendeckenden Netzes an Qualitätsjournalismus – gerade im Lokalen. In den USA ist es übrigens ähnlich, die riesigen bundesländerübergreifenden „pressefreien Zonen“ dort sind alle Trump-Hochburgen.

In den vergangenen drei Jahren mussten fast 50 unabhängige Verlage und über 300 unabhängige Buchhandlungen in Deutschland schließen. Eben ist der traditionsreiche wie wichtige Hirnkost Verlag von Klaus Farin in Berlin in Insolvenz gegangen. Der engagierte Verleger beklagt zu Recht: „Ohne staatliche Strukturförderung gäbe es kein einziges großes Theater, kein Opernhaus, kein großes Orchester in Deutschland – die Literaturlandschaft wird dem Markt überlassen. Das funktioniert nicht mehr. Ohne eine strukturelle staatliche Förderung wird sich die Zahl der unabhängigen mittelständischen Verlage noch in diesem Jahrzehnt vermutlich halbieren.“ Hinzufügen müsste man noch: Auch lokale TV-Sender werden gefördert, neben den öffentlich-rechtlichen ebenso lokale Rundfunksender wie Die Welle, selbst der Querfunk bekommt ein bisschen was ab, die Filmbranche wird ohnehin massiv öffentlich bezuschusst. Was macht die Stadt in dieser Situation? Sie reduziert ihre früher sachlich-informative „Stadtzeitung“ mit den Essentials des Stadtgeschehens drastisch und hat diese zu einem PR-Instrument umfunktioniert. Auch die lokale Printmonopolpresse wird so massiv gefördert.

Und wie steht es um die unabhängigen Medien? Wird ihnen, wenn sie kritisch sind und Rechte der Allgemeinheit anmahnen (z.B. in Sachen Wertstoffmüllentsorgung oder Majolika), via Anzeigenentzug der Geldhahn zugedreht? Es wäre Sache des Regierungspräsidiums, das rechtmäßige Vorgehen der Stadt zu überwachen. Denn die Post-Corona-Auswirkungen der ausgemergelten, ohne Zuschüsse dastehenden Haushalte der Städte und Gemeinden – Karlsruhe ist ein Sonderfall, hier hat man bekanntlich ein Gewerbesteuerallzeithoch bei Haushaltskürzungen nie dagewesenen Ausmaßes – schlagen ohnehin tiefe Schneisen in die Kultur- wie Printlandschaft.

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Prost. Happy Summer wünschen Roger Waltz & das INKA-Team

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