Rettet „Das Fest“!
Popkultur // Artikel vom 22.10.2009
Am Tag bevor der Stadtschuss seinen Rückzug vom „Fest“ verkündete, rief Ärzte-Schlagzeuger Bela B. bei Organisator Rolf Fluhrer an, um für 2010 einen Soloauftritt anzubieten. Wir haben das Gespräch belauscht.
BB: Hallo, hierr sprricht derr Grraf!
RF: Ah, Tag Bela.
BB: Du, ich hab’ gerade ’ne neue Soloscheibe draußen und würde nächstes Jahr gern bei euch spielen.
RF: Das dürfte schwierig werden.
BB: Jetzt komm mir nicht so! Der Farin durfte doch auch! Es kostet auch nix – ihr zahlt uns das Hotel und gut ist.
RF: Das Problem ist, es gibt kein Fest mehr.
BB: WUUUAAAAAHHHHHHSSSSSSS?!?!?!
RF: WIR MACHEN ES NICHT MEHR!
BB: Das hab ich schon verstanden, schrei nicht so. Warum das denn?
RF: Ja weißt Du, es kommen immer sooooo viele Leute.
BB: Freut euch doch!
RF: Im Prinzip ja, aber die zertrampeln den ganzen Rasen, pissen in die Alb und dann kotzen noch die alkoholisierten Jugendlichen die halbe Stadt voll. Innerhalb geht’s gerade so, aber wir müssen uns ja über die Getränke finanzieren. Außerdem haben wir jetzt plötzlich gemerkt, dass es so voll ist, dass es bei einer Panik richtig gefährlich werden könnte. Tote und so.
BB: Dann lasst doch weniger Leute rein! Ihr habt doch Zugangskontrollen. Markiert die Besucher doch einfach mit einem Papierbändchen und bei sagen wir 70.000 ist Schluss. Das Bändchen hat jeden Tag eine andere Farbe, sodass jeder mal die Chance hat.
RF: Nee, die vom Stadtschuss wollen, dass alle zu jeder Zeit aufs „Fest“ kommen können sollen. Außerdem sind wir das größte süddeutsche Free-Open-Air, nicht das zweit- oder drittgrößte.
BB: Aber ’ne Nummer kleiner geht doch. Diese ganzen Superstars wie Peter Fox braucht ihr doch gar nicht. Lass mich und ein paar gute lokale und überregionale Bands spielen, dann kommen von ganz alleine weniger Leute. Es gibt doch sauviel gute kleine Bands. Sogar bei euch um die Ecke in Frankreich. Dann wär’ vielleicht sogar die Musik besser...
RF: Och nee, das will ich nicht, Top Ten muss es bei meinen Stammtischbrüdern schon sein. Und ich kenne mich da nicht so gut aus. Die Sponsoren wollen das auch nicht. Die brauchen wir aber dringend, weil die Besucher nicht genug verzehren und wir deshalb immer Defizit haben.
BB: Wenn es nicht so voll wäre, dass man die Getränkestände gar nicht mehr erreichen kann, würden die Leute vielleicht auch wieder mehr trinken und sich nicht außerhalb vollaufen lassen.
RF: Kann natürlich sein, aber wie gesagt, das Image...
BB: Komm, hör mir auf. Bei euch in Karlsruhe müssen es immer gleich Leuchttürme und riesige Imageschilder sein. Was habt ihr eigentlich davon? Wo ist das Plus an Lebensqualität? Die Leute sagen, früher war „Das Fest“ eine Veranstaltung für die Region. Man konnte unverabredet hingehen, eine Menge Freunde und Bekannte treffen und sogar in größeren Gruppen rumsitzen.
RF: Selbst wenn wir es so machen, müssen wir noch mindestens ein Jahr genau die Sicherheitsstruktur bereitstellen, als ob 350.000 kämen. Wenn du also noch 100.000 Euro für Sicherheit und 30.000 Euro fürs Getränkedefizit mitbringst, kannst du gerne spielen.
BB: Soll ich Korken sammeln? Kann euch die Stadt nix geben?
RF: Die geben uns schon immer was. Aber die müssen jetzt erst mal die Kaiserstraße untertunneln für ungefähr eine Milliarde oder bisschen mehr. Genau wissen sie es noch nicht, aber sie fangen bald an zu graben und müssen die Kohle zusammenhalten. Außerdem brauchen wir noch ein neues Fußballstadion. Da ist ’ne halbe Million für „Das Fest“ einfach zu viel.
BB: Hääää? Seid ihr komplett durchgeknallt da unten?
RF: So läuft das hier. Aber vielleicht wird’s ja noch. Halt dir das Date mal noch paar Wochen frei.
Diese Gesprächsaufzeichnung ist fiktiv. Satire und all sowas.
Idee & Text: Felix Mescoli
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