Protest der Widersprüche
Bühne & Klassik // Artikel vom 27.06.2014
Mely Kiyak über „Aufstand“.
Istanbul 2013. Die Proteste gegen die Erdogan-Regierung sind in vollem Gange und auch ein osttürkischer Künstler mit kurdischem Hintergrund hat sich nach Istanbul aufgemacht, um zu demonstrieren. Dabei durchlebt er verschiedene Konflikte, die er in Mely Kiyaks Theaterstück „Aufstand“ protokolliert. Vor der Premiere am Badischen Staatstheater sprach Friedemann Dupelius mit der Autorin.
INKA: Laut dem Ankündigungstext zu „Aufstand“ wagt sich der Protagonist, „zu fragen, ob es wirklich sinnvoll war, dass in jedem kurdischen Dorf Strom gelegt wurde.“ Was soll denn das heißen?
Mely Kiyak: Man hat gerne betont, wie sich die Infrastruktur in der Türkei doch verbessert habe. Der Künstler, der in meinem Stück zu Wort kommt, fragt sich aber: Was nützt es eigentlich, wenn der Kapitalismus immer schneller ist als die Menschenrechte? Welchen Wert haben Straßen und Krankenhäuser, wenn man nicht frei sprechen kann und immer Angst haben muss, für seine Meinung eingesperrt zu werden?
INKA: Viele der Tausenden in Istanbul, mit denen der Künstler gemeinsam demonstriert, sind im Grunde überhaupt nicht seiner Meinung, was auch mit seiner Herkunft und dem türkisch-kurdischen Konflikt zu tun hat...
Kiyak: Ja, er kommt aus der Osttürkei, seine Muttersprache ist Kurdisch, er hat den Bürgerkrieg in der Türkei 30 Jahre lang miterlebt. Dieser spielt in „Aufstand“ eine große Rolle, der Erzähler ist ein Opfer dieser Zustände. Nun protestiert er mit Menschen, die sich zwar alle darin einig sind, die Regierung stürzen zu wollen, aber ansonsten womöglich ganz konträre Ziele und Meinungen haben, auch zum türkisch-kurdischen Konflikt. Alle können „Freiheit!“ rufen und jeder meint etwas anderes. Der Künstler in dem Stück versucht, innerhalb des Aufstands seine Position, auch seine Gruppe zu finden.
INKA: Welche Perspektiven zeigt das Stück auf?
Kiyak: Zunächst ist mir wichtig, eine Position durchzudeklinieren und dabei auch Widersprüche innerhalb einer Person aufzuzeigen. Der Protagonist verdient sein Geld als Lehrer und dient damit dem Staat, dem er als Künstler wiederum kritisch gegenübersteht. Wie geht man damit um? Und müsste man nicht eigentlich in Opposition zu seinen Nachbarn gehen, die im Zweifel eine Regierung gewählt haben, die einen in seinen Rechten beschneidet, statt auf der Straße gegen „die da oben“ zu demonstrieren, die ja schließlich gewählt und legitimiert sind?
INKA: Sie arbeiten ja auch journalistisch. Hat das Stück ein anderes Ziel als eine Kolumne in der Zeitung?
Kiyak: Ich verfolge keine Ziele. Egal was oder für wen ich schreibe – in meinen Texten versuche ich, wie mit einer Linse einen Fokus einzustellen, ein Stückchen rechts und links des Geschehens zu erzählen. Ich kann meinem Publikum nicht das Denken abnehmen und in den meisten Fällen antworte ich selbst mit Fragezeichen. Ich kann nur versuchen, herauszufinden, was dazu geführt haben könnte, dass jemand eine bestimmte Politik betreibt oder dissident ist oder Terrorist. Oft geben einfache Fragen – Wer ist jemand? Wo wohnt er? Was sind seine Lebensbedingungen? – schon große Aufschlüsse.
Premiere: Fr, 27.6., 20 Uhr, Badisches Staatstheater, Studio, Karlsruhe
WEITERE BÜHNE & KLASSIK-ARTIKEL
Live im Park meets Nacht der Weine 2025
Bühne & Klassik // Artikel vom 04.07.2025
Ein sommerliches Wochenende mit Musik und Weingenuss im Herzen von Herxheim verspricht dieses Crossover im malerischen Park der Villa Wieser in Herxheim bei Landau, wenn „Live im Park“ und die „Nacht der Weine“ zusammentreffen.
Weiterlesen … Live im Park meets Nacht der Weine 2025Die Dinner Party
Bühne & Klassik // Artikel vom 28.06.2025
Bei einem eleganten Abendessen in Paris treffen unter mysteriösen Umständen sechs Personen zusammen.
Weiterlesen … Die Dinner PartyIm weißen Rössl
Bühne & Klassik // Artikel vom 21.06.2025
Auf die Neuinszenierung von Ralph Benatzkys Erfolgsoperette fokussiert sich der „Theatersommer“ 2025 auf Deutschlands größter Freilichtbühne.
Weiterlesen … Im weißen RösslNachtklänge
Bühne & Klassik // Artikel vom 20.06.2025
Uraufführungen von vier Studenten aus der Kompositionsklasse Prof. Markus Hechtle und des verstorbenen Wolfgang Rihm, Referenzstück der Werke war Martin Smolkas (geb. 1959) „Oh, My Admired C Minor – Three Pieces For Ensemble“ (2002).
Weiterlesen … NachtklängeDennis Volk
Bühne & Klassik // Artikel vom 20.06.2025
Nach seiner restlos ausverkauften Deutschlandtour 2024 regt Dennis Alexander Volk mit Impulsen aus seinem Buch „Storytelling Piano“ erstmals auch in Pforzheim dazu an, das Leben neu zu entdecken.
Weiterlesen … Dennis VolkGartensaal-Konzert der HfM
Bühne & Klassik // Artikel vom 20.06.2025
Die Liebesliederwalzer mit der ungewöhnlichen Besetzung für Klavier zu vier Händen und Vokalquartett zählen zu den populärsten Werken von Brahms.
Weiterlesen … Gartensaal-Konzert der HfMDumm g’loffe
Bühne & Klassik // Artikel vom 13.06.2025
Zum 100. des Grünwinkler Bürgervereins präsentiert die Badisch Bühn die Uraufführung von „Dumm g’loffe“.
Weiterlesen … Dumm g’loffeVokaloktett Karlsruhe – „Zimmer 205 Spezial“
Bühne & Klassik // Artikel vom 13.06.2025
Das Vokalensemble hat seine Wurzeln an der Hochschule für Musik Karlsruhe, wo die Gründungsmitglieder ihre musikalische Ausbildung genossen und ihre gemeinsame Leidenschaft für den Gesang entdeckt haben – und für den gemeinsamen Klang der individuellen Stimmen.
Weiterlesen … Vokaloktett Karlsruhe – „Zimmer 205 Spezial“Özcan Cosar
Bühne & Klassik // Artikel vom 11.06.2025
Der 2019er Gewinner des „Deutschen Comedypreises“ in der Kategorie „Bester Newcomer“ geht in seinem aktuellen Programm auf die Suche nach dem „Jackpot“.
Weiterlesen … Özcan Cosar
Kommentare
Einen Kommentar schreiben