Tinka Stock: Zwischen Theke und Theatrum mundi
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 06.04.2021
Vor ihrer Corona-Rolle rückwärts war Tinka Stock nach 13 Jahren als kreative Seele der Alten Hackerei eigentlich schon auf und davon.
Das erklärte Ziel: wieder mehr auf die Kunst konzentrieren. Ob detailverliebte Deko zwischen Clubraum und Biergarten, Plakatdesigns oder andere Aushänge bis hin zur Gestaltung des „SAU e.V.“-Stands auf der „Fest“-Infomeile – vieles in der „Gepflegten Punkrockbar“ auf dem Alten Schlachthof trägt ihre klar erkennbare künstlerische Handschrift. Und nicht zuletzt ist sie mit dem Koordinieren des eingeschworenen Thekenteams von Anfang an quasi das Aushängeschild der Hacke. Schon unter Alexander Wentz und Ilja Töller arbeitete sie zwei Jahre an der Bar im Musikclub Schlachthof, Hackerei-Chef Christian „Plüschi“ Bundschuh ist dort seinerzeit als Tontechniker aktiv, bevor er 2007 um die Ecke in der ehemaligen Metzgerkantine seinen eigenen Laden eröffnet. Unmittelbar gegenüber hat Tinka Stock ihr Atelier, in dem sie mit Fimo, einer knetartigen, ofenhärtenden Modelliermasse aus Kunststoffpulver, Figuren kreiert.
Nach Karlsruhe zieht es die 1976 in Essen geborene Bildhauerin wegen Schwester Silke, die ebenfalls an der hiesigen Kunstakademie studiert. 2003 schließt dann auch Tinka als Meisterschülerin von Stephan Balkenhol das Studium der Freien Kunst ab. Es folgt Stipendium auf Stipendium; das Graduierten- (2004) und das Debütantenstipendium (2005) des Landes Ba-Wü, eines des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst an der Cite International des Arts in Paris (2006) und ein weiteres der Kunststiftung Ba-Wü (2008). Ihre um die 20 Zentimeter großen Charaktertypen vom Alltagsmenschen übers Starlet bis zum Freak, die sowohl aus dem eigenen Umfeld als auch der Populärkultur entspringen, bilden eine Art Theatrum mundi. „Meine Figuren entstehen immer im Kontext mit einer speziellen Lebenssituation. Was gerade emotional bei mir am Start ist – frisch verliebt sein ist natürlich der Klassiker. Man baut viele Merkmale der betreffenden Person ein, sei es eine Gestik oder eine Körperhaltung. Dazu kommen dann Attribute wie Tätowierungen oder Klamotten, die z.B. für eine Subkultur stehen und ein grundsätzliches Statement setzen“, erklärt Tinka Stock, die den Figuren mit ihrer feinen Beobachtungsgabe und teils auch menschliche Verhaltensweisen symbolisierenden tierischen Accessoires oder Plastiken ein individuelles, berührendes Seelenleben gibt. Anfassen sollte der Betrachter sie aber besser nicht: „Das ausgehärtet Material ist unglaublich fragil, ich würde meine Figuren aber nur äußerst ungern in Vitrinen sperren.“
Normalerweise stehen sie aber ohnehin nicht allein auf weiter Flur: „Während dem Studium habe ich ein Faible für Installationen entwickelt.“ Dabei arbeitet sie mit minimalistischen schuhschachtelgroßen Bühnensituationen ebenso wie szenografisch mit der gegebenen Architektur als Kulisse und erschließt ihren Figuren so fiktive Handlungsräume. Auf Farbigkeit legt Tinka Stock großen Wert, weshalb Ton als Arbeitsmaterial ausscheidet. Fimo hingegen erlaubt ihr, den Figuren mit verschiedensten Pigmenten selbst das filigranste bunte Tattoo zu verpassen. Nackte Haut gab es anfangs nicht zu knapp; heute bedient sie sich oft der subtilen Aussagekraft der Mode, die aber auch schon im Jahr 2000 zentraler Aufhänger war: bei „Haute Couture“, einem Projekt mit ihrem Schulfreund, dem heute in Berlin tätigen Filmemacher Sébastien Wolf. Gemeinsam bilden sie das Duo Stock’n’Wolf, bekannt auch für Comics à la „Parasiten-Party“ und einige festivalerprobte Animationskurzfilme, darunter „Bob Log IIIs Electric Fence Story“ (2004) mit dem Hackerei-bekannten behelmten, stets im azurblauen Wrestlinganzug auftretenden Evil Knievel unter den One Man Bands als Protagonisten, die „Leopard trifft Faultier“-Liebesgeschichte „Hanging Around“ (2010) oder die „Bar Stories“ (2019) über komische Kneipenszenen aus der Sicht einer Barfrau, die Tinka Stock in den vergangenen 15 Jahren zur Genüge erlebt hat. Und vor wie hinter dem Hackerei-Tresen wünscht man sich, dass für die „Kulturschaffende in Kunst & Kneipe“ nach den aufgeschoben Abwanderungsgedanken doch noch das eine oder andere dazukommt. -pat
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