Klimaschutz in Karlsruhe?

Stadtleben // Artikel vom 21.02.2007

INKA-Interview mit Stadtrat Klaus Stapf, Umwelt- und Wirtschaftsexperte der Grünen-Gemeinderatsfraktion.

Karlsruhe, "Stadt im Grünen", "Stadt am Rhein" - so bezeichnen Lokalpolitiker und Marketingstrategen die Fächerstadt immer wieder. Am Rhein liegen mit den Papierfabriken Stora Enso (Maxau) und Palm (Wörth), Süddeutschlands größter Mineralölraffinerie Miro und dem Heizkraftwerk mit die größten Feinstaub und CO2-Emittenten Karlsruhes. Rein optisch gemahnt die Szenerie an die morbide Ästhetik der einstigen Industrielandschaften im Ruhrgebiet, und steht der Wind richtig, weht vom Rhein ein Hauch von Bitterfeld nach Karlsruhe. Aktuell sind gleich vier neue Kraftwerke geplant: Stora Enso und Palm planen jeweils Reststoff-Verbrennungskraftwerke, die EnBW ein kaum strittiges, weil umweltverträgliches Gas- und Dampfturbinenkraftwerk sowie ein umstrittenes Dinosaurier-Steinkohlekraftwerk.

Kritiker befürchten einen Anstieg der Feinstaubbelastung und derCO2-Emissionen, künstliche Schneefälle, möglicherweise eine Erhöhung der Wassertemperatur des Rheins. Zudem werde mit dem Bau eine wichtige Frischluftschneise für die westlichen und nordwestlichen Stadtteile versperrt. Der Kraftwerksbetreiber EnBW hält dagegen, mit seinem neuen Kraftwerk nur die Zeit überbrücken zu wollen, bis regenerative EnergieformenKohle und Öl ablösen können. Konkurrent Vattenfall macht es in Brandenburg anders vor: Dort ist ein nahezu kohlendioxidfreies Kohlekraftwerk geplant.

INKA-Mitarbeiter Denis Elbl sprach mit Grünen-Stadtrat Klaus Stapf über die Kraftwerkspläne, die(gefühlte) Unvereinbarkeit ökologischer und ökonomischer Interessen und politische Ignoranz.

INKA: Herr Stapf, sind die Slogans "Stadt im Grünen" oder "Stadt am Rhein" angesichts der Entwicklungen am Rhein nicht schiere Augenwischerei?

Klaus Stapf: Sie finden uns durchaus auf Seiten der Kritiker. Die Zukunft muss in eine Richtung weisen, die dem Ziel "Stadt im Grünen" - das auch das unsere ist - gerecht wird. Im Momenthaben wir hier aber ganz eindeutig kontraproduktive Entwicklungen. Gerade die westlichen Stadteile sind jetzt schon besonders hoch belastet, beispielsweise durch das bereits bestehende Dampfkraftwerk, das ja nicht abgeschaltet, sondern ergänzt werden soll, oder die Raffinerie. Das ist genug. Wir wünschen uns da eine ganzandere Entwicklung. Karlsruhe, das sich ja auch Zentrum der Technologieregion nennt, sollte hiermit umweltschonenden Techniken in die Zukunft gehen und versuchen, mit zukunftsträchtigen Technologien Arbeitsplätze zu schaffen.

INKA: Wie beispielsweise die Geothermie. Die aber hat sich als nicht unproblematisch entpuppt, bei Basel haben Probebohrungen mehrere Erdbeben ausgelöst. Nun gilt Karlsruhe aber als Stadt mit einem enorm hohen Potenzial für die Nutzung der Geothermie. Warum sind hier keine Fortschritte erkennbar?

Stapf: Es gibt keine allein seligmachende Energieform der Zukunft, es muss ein Mix sein, der auf Atomkraft verzichten muss und der ebenso CO2-emittierende Energiegewinnung bei weitem reduziert. Ein Baustein ist die Geothermie, und dahaben wir ganz klar Nachholbedarf. Wir möchten hier trotz beziehungsweise unter Verwendung der Basler Erfahrung in Karlsruhe vorankommen. Das ist aber eine sehr kapitalintensive Forschung; um solche Probebohrungen durchzuführen, werden eine bis mehrere Millionen Euro benötigt. Offenbar ist es in Karlsruhe noch nicht gelungen, Kapitalgeber zu überzeugen.

INKA: Mit dem Rückzug von Osnabrück hat sich für Karlsruhe eine Chance auf eine neuerliche Bewerbung um die Ausrichtung der Bundesgartenschau 2015 eröffnet - unter dem mehr oder minder lauten Beifall aller Gemeinderatsfraktionen. Braucht Karlsruhe die Buga als blumenbuntes Deckmäntelchen für eine zunehmend verfehlte Umweltpolitik?

Stapf: Es ist zu befürchten, dass es so ähnlich ausgeht. Ich will aber nicht verschweigen, dass auch wir die Buga als Möglichkeit ansehen, in diesem Bereich überhaupt noch etwas zu bewegen. Wir haben beispielsweise gefordert, Freiflächen wie die "Hub" aufzunehmen, weil wir denken, dass in den letzten Jahren im Rahmen vor allem einer verfehlten Flächenpolitik zu viele Freiflächen geopfert wurden. Klimaprognosen selbst der Landesanstalt für Umweltschutz zeichnen ein verheerendes Bild für den Oberrhein. Dem kann man nur entgegenwirken, indem man die Bebauung nicht so massiv werden lässt und Schneisen offen lässt.

INKA: Würden Sie sagen, dass das Stichwort "Wirtschaftskraft" auch in Karlsruhe als Totschlagargument gegen eine nachhaltige Umweltpolitik missbraucht wird?

Stapf: Es ist in Karlsruhe leider immer noch so, dass diese beiden Themen gegeneinander ausgespielt werden - das ist der bare Unsinn. Wir müssen beides miteinander verbinden, Umweltverschmutzung ist kein Kavaliersdelikt mehr. Es ist notwendig, die Wirtschaft so umzustellen, dass sie die Umwelt als endliche Ressource begreift. Es gibt Unternehmen, die tun das, aber letztlich steht im freien Spiel der Wirtschaft allein der finanzielle Erfolg im Fokus.

INKA: Es gibt Unternehmen, die so handeln - andere nehmen es zumindest für sich in Anspruch: Die EnBW sieht sich gerne als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Wie beurteilen Sie diese Eigenwahrnehmung vor dem Hintergrund der Kraftwerkspläne und dem Antrag auf Restlaufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Neckarwestheim?

Stapf: Genau diese beiden Komponenten entlarven Professor Utz Claassen als begnadeten Selbstdarsteller, der hervorragende Marketingstrategien fährt. Aber wer sich näher mit der Materie beschäftigt, der sieht, dass der weitaus größere Teil der EnBW-Energie aus umweltschädlichen Technologien kommt. Man hat einen Bestand, den kann man nicht von heute auf morgen umstellen, deshalb gibt es ja auch Restlaufzeiten. Aber wenn ich sehe, dass in so hoch belasteten Gebieten ein Steinkohlekraftwerk geplant wird, dann wird klar: Da wurde der Zeitenwandel verschlafen.

INKA: Sehen Sie im Gemeinderat angesichts der grundsätzlichen Zustimmung den politischen Willen, dieses Kraftwerk noch zu verhindern?

Stapf: Die Chancen stehen nicht gut, das muss man realistischer weise anerkennen. Die Verhinderung wird uns wohl nicht gelingen, da sich CDU und SPD eindeutig positioniert haben. INKA: Welches Verständnis von Klimaschutz verbirgt sich dahinter?

Stapf: Die Furcht, konsequent zu sein. Ich bin selbst Betriebsratsvorsitzender, mir liegt jeder Arbeitsplatz am Herzen. Es nutzt aber nichts, wenn wir Arbeitsplätze haben und auf die Klimakatastrophe zusteuern. Offenbar fehlt die Bereitschaft, anzuerkennen, dass sich dieser Kraftwerksneubau zwar nicht sofort, aber global und auf längere Zeiträume gesehen negativ aus wirken wird. Das grenzt an Ignoranz. Im Veränderungsmanagement gibt es eine Theorie, der zufolge erst eine Verdrängungsignoranz zum Tragen kommt, bevor es einschneidende Veränderungen gibt. Das ist zwar der Psychologie entnommen, aber vielleicht spielt genau das hier eine Rolle.

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