UND #6
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 04.03.2011
Kunstmesse zwischen Off-Space und Subraum.
Den Begriff Off-Space lässt „UND“-Vorstand Joachim Hirling nicht so gerne im Raum stehen. Die Vorsilbe Sub- träfe es eher, sagt er. Dabei sah es zum Jahresende noch so aus, als wäre die alternative Kunstmesse „UND“ mehr off als on. Die bislang fünfmal parallel zur „art Karlsruhe“ laufende „Plattform für Kunstinitiativen“ stand vor dem Aus – zumindest in der etablierten Form. Noch 2010 erwog das Organisationsteam, eine Jury zu installieren, um unter der Vielzahl sich bewerbender nichtkommerzieller Künstlergruppen und Produzentengalerien auszulesen. Nun standen Hirling und seine Vorstandskollegin Cosima Klischat völlig unerwartet vor zu wenigen Mitmachern. Zwei bange Wochen später ist die Kuh vom Eis, die Zahl der Teilnehmenden stimmt, die überlebensnotwendige Unterstützung vom Kulturamt wird bewilligt.
Über die Gründe, warum es ausgerechnet diesmal so schleppend anlief und die – zumindest was die Künstlerseite anbelangt – im Grunde schon felsenfest stehende Veranstaltung doch noch ins Wanken kam, kann auch Hirling nur spekulieren: „Die ein oder andere Initiative beteiligt sich bereits beim ‚Supermarket’ in Stockholm und zwei solcher Messeteilnahmen sind für viele Künstler ganz einfach nicht zu finanzieren. Außerdem haben wir dieses Mal wegen des Rayo-Kindertheaters nicht die gesamten 3.000 Quadratmeter der Nancyhalle, sondern inklusive Flur und Foyer ein ganzes Drittel weniger an Stellplatz zur Verfügung.“ Vielleicht habe auch die Befürchtung der Initiativen eine Rolle gespielt, ausjuriert zu werden.
Aber ans Kämpfen sind sie ja gewöhnt, seit eine gescheiterte Bewerbung für die „Liste“ Basel die Initialzündung zur eigenen Alternative bedeutet hat: Die „UND“ ist keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zur großen Schwester in Rheinstetten für jene, die allein aus monetären Gründen nicht an der „art“ teilnehmen können. Der Gedanke an eine Satellitenmesse kreiste schon damals durch die Köpfe der Poly-Künstler, nachdem eine Förderkoje auf der „art“ nicht umsetzbar war. Als man sich 2005 nicht darauf verständigen konnte, eine gemeinsam finanzierte Bewerbung für die Baseler Schau auf so wenige Mitglieder der Karlsruher Produzentengalerie zu beschränken, wie es gefordert war, entstand aus Eigeninitiative im Jahr drauf die erste „UND“, die – noch etwas sperrig als „Plattform zur Präsentation von Kunstinitiativen in Karlsruhe plus internationale Gäste“ untertitelt – in einem ehemaligen Supermarkt ihre Kunstware feilbot.
Im Folgejahr fand die Messe in der inzwischen abgerissenen Halle des Autohauses Zschernitz auf dem Schlachthofareal einen temporären Showroom, und nach der „UND #3“ im ehemaligen Versorgungsamt in der Kriegsstraße hatte das Nomadentum kultureller Zwischennutzung ein Ende, weil der einstige Dauergast der Nancyhalle am Kongressplatz, Designer Luigi Colani, „Arrivederci“ gesagt hatte. Und so kann nun im dritten Jahr an selber Spielstätte ganz unkonventionell präsentiert und performt, getanzt und gerne auch verkauft werden. „Dem Grundsatz nach liegt unser Fokus auf nichtkommerziell arbeitenden Galerien“, erzählt Cosima Klischat, wobei die Übergänge fließend werden können – schließlich startete auch die mittlerweile im vierten Jahr auf der „art“ Station machende Ferenbalm-Gurbrü Galerie der Brüder Baden als „UND“-Mitbegründer.
„Das Hauptkriterium für die Zulassung sind ehrenamtlich arbeitende und sich selbst organisierende Künstler, bei denen das Präsentieren noch Priorität vor dem Marktaufbau genießt“, konkretisiert Klischat. Und damit finden auch Akademiestudenten und -absolventen hier ihre Plattform für eine deutschlandweit einzigartige Mischung aus Malerei, Fotografie, Zeichnung, Skulptur, Klangwerk, Video und Installationen, für Kunst abseits des Mainstreams. Kojen im klassischen Sinne kennt die „UND“ nicht, jede Initiative gestaltet ihre Fläche selbst. „Wir stellen einen Spielplatz zur Verfügung, die Künstler dürfen vieles selbst bestimmen“, sagt Hirling.
So arrangiert sich alsbald ein charmantes Chaos. Aber das darf bei einer Low-Budget-Veranstaltung durchaus so sein, und wenn es dazu noch um Kunst geht, dann muss es das vielleicht sogar. „Wir Organisatoren sind nun mal keine gelernten Kulturmanager, sondern Künstler“, macht Maler und Poly-Mitglied Hirling deutlich, der mit seiner experimentellen Impro-Band Pseydologen auch schon selbst Teil des musikalischen Rahmenprogramms war.
Und obwohl alles in ehrenamtlicher, seit 2009 in Vereinsform organisierter Eigenregie ablaufen muss, kamen an die 4.000 Besucher auf die „UND #5“, um sich die Arbeit der 26 Initiativen mit rund 200 lokalen, nationalen und internationalen Künstlern anzusehen. „Feste Produzentengalerien wie noch vor zehn Jahren gibt es immer weniger“, so Hirlings Erfahrung. „Das sind mittlerweile mehr projektartige Zusammenschlüsse“, sagt er und nennt als Beispiel die Jonny Las Vegas Factory, aus deren Verbund Künstler wie Simone van gen Hassend, Herbie Erb und Mike Überall in diesem Jahr unter Circus 3000 firmieren.
Das intermediale Kunstprojekt startet mit der „UND #6“. Aktionsfläche ist ein Zeltdorf, in dem unter anderem auch eine tägliche „Freak Show“ angesagt ist. Insgesamt 14 Initiativen und 118 Bildende Künstler werden vor Ort sein: Neben der Poly Produzentengalerie sind aus Karlsruhe das Kohi, Part Room und einige Kunstakademie-Studenten dabei, dazu Cooltour (Straubenhardt), LLL Arts (Berg), Bruch+Dallas (Köln), Cocao (Ortenau/Berlin), Brotlos (Waldbronn/Basel), Der Fluss (Berlin), Oberwelt (Stuttgart), Contrastartz Zwanzigelf (Wien), für echte Internationalität sorgen Danzig Wertgelände (Polen) und Escuela de Vagabundos (Mexiko). Dazu gibt’s ein ausgeprägtes Rahmenprogramm mit Performances, Konzerten und Lesungen auf zwei Bühnen.
Eröffnet wird die „UND“ traditionell einen Tag vor der „art“-Vernissage, die besucherfreundlichen Öffnungszeiten bis 24 Uhr werden beibehalten, „nur am Mittwoch und Donnerstag beginnen wir erst um 18 Uhr, um Ausstellern und Besuchern die Möglichkeit zu geben, in Ruhe die ‚art‘-Eröffnung mitzuerleben“, erläutert Hirling. „Wir wollen uns parallel als richtungsweisende Plattform für junge, zeitgenössische Kunst behaupten. Ob die ‚UND #7’ wieder in der Nancyhalle stattfinden kann, hängt auch vom Gemeinderat ab“, blickt Hirling in die ungewisse Zukunft. Ansonsten müssen die umtriebigen Macher abseits des etablierten Kunstbetriebs wieder auf Subraumsuche gehen.
„Wir sind im Untergrund, aber wir existieren“, erklärt er sein Unbehagen mit der gängigen Szenebegrifflichkeit. „Off ist es erst, wenn kein Wille mehr besteht, das Projekt zu stemmen. Aber so lange der Zuspruch von Künstlern, Unterstützern und natürlich dem Publikum da ist, wird es auch die ‚UND‘ geben.“ -pat
Eröffnung: Di, 8.3., 19 Uhr, Eröffnungsrede Michael Hübl; Mi, 9.3.-So, 13.3., Öffnungszeiten: Mi+Do 18-24 Uhr, Fr+Sa 14-24 Uhr, So 10-22 Uhr, Nancyhalle, Karlsruhe
www.und-plattform.de
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