Karlsruhe zum Jahreswechsel 2014/2015

Stadtleben // Artikel vom 11.12.2014

In den vergangenen Wochen fielen einige Entscheidungen, die für Karlsruhe, für 2015 und darüber hinaus essenziell sind.

Die schönste vorweg: Die Karl-Apotheke soll nach einer Pressemitteilung von OB Mentrup bleiben, nachdem er sich zuvor mit Fraktionen, Gruppierungen und Stadträten über die künftige städtebauliche Nutzung der Fläche am Rande des Stephanplatzes abgestimmt hat. Die Stadt werde, wie es der OB Ende November 2013 bei seinem persönlichen Treffen mit dem Mieter der Apotheke, Christian Giese, zugesagt hatte, kommendes Jahr Gespräche über eine Verlängerung des Mietvertrags über das Jahr 2018 hinaus aufnehmen. Mentrup betonte außerdem, dass die Fläche des Stephanplatzes in seiner Gesamtheit zu keinem Zeitpunkt Gegenstand planerischer Überlegungen war oder gar Verkaufsabsichten bestanden. Eine weise Entscheidung – zu einer Übergabe der Petition mit über 22.000 vorwiegend in der Apotheke und von Privatpersonen gesammelten Stimmen sollte es nicht mehr kommen.

Ein Kommentar von Roger Waltz

Seit der geplanten massiven Bebauung des Botanischen Gartens Anfang des Jahrtausends durch das BVG – die nur dank medial und überregional engagierter Bürger auf die jetzige maßvolle Neubebauung korrigiert wurde – ist dies sicherlich ein sehr wichtiger Moment für die „verspätete Bürgergesellschaft“ der „Residenzstadt“ Karlsruhe, wie es der ehemalige Kulturdezernent Heck bei seiner Festrede zum 25-Jährigen des ZKM so prägnant formulierte. Fairness und Vernunft scheinen in der „Residenz des Rechts“ also doch eine Chance zu haben. Den Stephanplatz könnte man dennoch schöner gestalten: Warum nicht die weichen Bauhaus-Formen der Apotheke auf die derzeitige Betonwüste mit ihren rechteckigen Quadern umlegen? Es fänden sich garantiert ausreichend Architekten, Stadtplaner und Bürger, die das auch materiell unterstützen. Wer Ideen für eine „weiche“ Umgestaltung des Platzes hat, kann uns gerne Vorschläge zusenden, die wir veröffentlichen. Die Entscheidung, den Stephanplatz mit dem Verbleib der Karl-Apotheke bei seiner offenen Gestaltung zu belassen, vermeidet auch negative Auswirkungen vom Ludwigsplatz bis zur südlichen Waldstraße. Und für die Innenstadt West: Denn hier ist nach wie vor unklar, was mit den Räumen des ehemaligen Radio Oriente geschieht. Der Umzug des Jazzclub in die Kurbel ist derweil offenbar vom Tisch.

Eine ganz andere Hausnummer als die, das „Problemviertel“ westliche City z.B. durch eine massivere Kulturpräsenz aufzuhellen, ist das Badische Staatstheater, wo jetzt die Siegerentwürfe aus dem Architektenwettbewerb zum Um- und Neubau des Schauspiels ausgestellt sind. Baubeginn soll 2018 sein; zehn Jahre wurden veranschlagt, der Kostenrahmen beträgt 125 Millionen und wurde von den Siegerentwürfen auch dank extravaganter Dachkonstruktionen schon zur Präsentation deutlich überschritten. Der Kriegsstraßen-Umbaubeginn ist 2015 – eigentlich sollte das Staatstheater auch gleich Anträge auf Ausgleich durch das Kooperationsmarketing stellen! Spaß.

Ebenfalls ein Knüller ist die Ankündigung aus dem Kulturamt für einen Neubau der Stadtbibliothek bzw. deren Umzug in eine größere Immobilie. Der Auszug aus dem Neuen Ständehaus würde dort Platz schaffen für den Einzug des Stadtmuseums, das bisher im Prinz-Max-Palais untergebracht ist. Der Umzug des Stadtmuseums wiederum könnte dann im Prinz-Max-Palais ein echtes Literaturhaus entstehen lassen. Gut für die City! Wir sind gespannt, ob die Stadt damit (endlich?!) aktiver in den Immobilienmarkt eingreift, wie von BM Obert unlängst im INKA-Gespräch als ernsthafte Option angedeutet. Warum auch nicht? Wenn sich Immobilienhändler dank des errechneten Wertzuwachses nach dem Stadtumbau hier gesundstoßen können, gilt das schließlich auch für die Stadt selbst: Ihre Immobilienwerte erhöhen sich dann ebenfalls. Auch in Sachen Konservatorium überlegt man neu, und das zu Recht: In der Gartenhalle wären die Schüler in Container eingepfercht. Eine Alternative sind z.B. die seit Juli leerstehenden Räume des ehemaligen Luftwaffenmusikkorps in der Kaiserallee. Derweil ist die Hallensituation in der Fächerstadt weiter offen, was mit Europahalle und dm Arena, Brandschutz und Aufrüsten der Infrastruktur sowohl den Sport als auch die Event-Veranstalter betrifft.

Kurz nach Drucklegung unserer Novemberausgabe begann in der hiesigen Tageszeitung eine seltsame Kampagne gegen aktive Bürger: Bei der Einweihung des Kohlekraftwerks wurde süffisant berichtet, wie einfach die Genehmigung durch den Gemeinderat ging und wie stark doch der Widerstand andernorts gewesen sei. Zum Bohrerstart des Tunnels wurden dann gleich noch die U-Strab-Gegner – nahezu die Hälfte der wahlberechtigen Karlsruher – gedisst: Bei Stuttgart 21 seien die Gegner ja auch heute noch aktiv, was denn bloß in Karlsruhe los wäre? Die BNN, die sich an die Speerspitze des U-Strab-Baus gesetzt haben und vom Niedergang des Einzelhandels als einziges Printmedium durch den Geheimtopf Kooperationsmarketing auch noch dank Millionensubventionen profitieren, verhöhnen nun die Gegner? Zur Erinnerung: Der zweite U-Strab-Entscheid kam mit 55 Prozent nur äußerst knapp zustande – ohne die Stimmen der Peripherie wäre das Votum anders ausgefallen. Ohne die Zusammenlegung mit der Bundestagswahl auch. Und ohne den vom Rechnungshof beanstandeten widerrechtlichen Einsatz städtischer Marketinggelder u.a. mit Postwurfsendungen. Ein Thema, das Karlsruhe noch immer spaltet. Die Abos der BNN-Stadtausgabe sollen inzwischen auf 32.500 Stück gesunken sein. Subventionen sei Dank kann ihnen das aber herzlich egal sein – zumal die BNN nach dem Umbau der City zu einer konsumigen Einkaufskettenzone durch die Anzeigen von Ikea, Beate Uhse und Co. profitieren werden.

Dessen aber nicht genug: Mit der Headline „Im Griff der Drogenszene?“ „verarbeitete“ die Redaktion der BNN einen anonymen Brief, den angeblich eine besorgte Mutter zu Drogengeschichten im Techno-Club Gotec an die Presse versandte. Im Artikel selbst kommt dann zutage, dass der Club mit der Polizei, der Prävention und dem Rauschgiftdezernat vollumfänglich zusammenarbeitet. Nicht erst seit gestern. Mal abgesehen davon, dass die BNN vom Rock’n’Roll über Jazz und Rock und Techno bis zu Gammlern, Gruftis und Hippies alles verteufelte: ein unfassbarer Vorgang, denn in allen Locations des Nachtlebens gibt es Drogenprobleme. Das erinnert fatal an das Jahr 2008, als wir bei einem Interview zum Thema „Komasaufen in KA“ mit dem Amt für Bürgerservice die Antwort bekamen, ein solches Problem gäbe es in Karlsruhe nicht. Zugegeben: Das war ein paar Monate vor dem ersten Komasauftoten. Hat sich seinerzeit etwas geändert? Nein. Nach wie vor gibt es hier Flatrate-Angebote, bei denen die Besucher sogar noch Gutscheine fürs Freisaufen bekommen. Von einem Betreiber, der sein Getränk selbst produziert und damit alle inhaltlich arbeitenden Karlsruher Clubs in Existenznot bringt. Und der KVV steht dem in nichts nach: Dass eine städtische GmbH in den BNN und deren Medien Glühweinfreisaufgutscheine für den Weihnachtsmarkt offeriert, ist unglaublich.

Weil den Totalumbau der Stadt auch jemand bezahlen muss, sollen laut neuem Haushalt über eine Erhöhung der Gewerbesteuer rund zehn Millionen eingesammelt werden. Also ausgerechnet von denen, die am meisten unter dem Umbau leiden und die vom sich nur selbst umsorgenden Einzelhandelskiller City Initiative im Regen stehen gelassen werden, denn Ketten wie Primark zahlen bekanntlich hier keine Gewerbesteuern. Wir zahlen natürlich - und finden eine Erhöhung dennoch okay. Nur muss endlich die direkte Subventionierung des hiesigen Medienmonopolisten durch den Geheimtopf des Kooperationsmarketings abgestellt werden! Dafür sind City Initiative, Kasig und das Stadtmarketing (nicht jenes von Martin Wacker!) zuständig. Letzterer tut derzeit alles, um den Stadtgeburtstag 2015 nicht nur zu retten, sondern zu einem echten kulturell gestützten Move für ganz Karlsruhe zu machen. Alles wird gut...

Zurück

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 2 plus 6.

WEITERE STADTLEBEN-ARTIKEL